Waren auf dem Förderband melden sich der Datenbank
Von Christine Lendt
Auf der CeBIT 2007 waren sie erstmals das große Thema: RFID-Chips, Tags und Smart Labels. Der BITKOM hat den kleinen Teilen eine große Zukunft vorausgesagt, vergleichbar mit der Karriere von Handy und Internet. Doch inwieweit können KMU schon heute davon profitieren? RFID steht für „Radio Frequency Identification“ (Identifizierung per Radiowellen). Sie verleiht Gegenständen damit eine eindeutige Identität, die per Funk abgerufen werden kann. Das eröffnet neue Perspektiven in vielen Bereichen: von Logistik und Vertrieb über Kopierschutz und Registratur bis hin zur erweiterten Erfassung von Kundendaten.
Es überrascht daher nicht, dass um das Thema RFID eine kontroverse Diskussion geführt wird. Verbraucherverbände und Datenschützer befürchten Missbrauch und den „gläsernen Kunden“. Die Herstellerseite reagiert mit einem umfangreichen Informationsangebot: Das RFID Support Center NRW erstellt Richtlinien und Checklisten für KMU, die der Entwicklung unternehmensbezogener RFID-Privacy-Grundsätze dienen sollen. An die Verbraucher richtet sich das Informationsforum RFID e.V.; es betreibt Aufklärungsarbeit und will zeigen, wo sie selbst von der Technik profitieren können.
Die ersten Großprojekte starten
Im Handel können Produkte auf diese Weise ausführlicher denn je ausgezeichnet werden: Neben Bezeichnung und Preis speichern die Chips ein Haltbarkeitsdatum, den Herstellungsort, Zwischenhändler, den Zeitpunkt des Imports und vieles mehr. So kann der Weg einer Ware vom Hersteller bis ins Verkaufsregal lückenlos kontrolliert werden. Das beschleunigt die Abläufe, hilft Lagerbestände zu reduzieren und senkt Kosten. Kein Wunder also, dass immer mehr Logistikunternehmen Smart Labels auf Paletten und Container kleben.
Andere Branchen haben Pilotprojekte im großen Stil gestartet: So prüft die Pharmaindustrie verstärkt den Einsatz von RFID, um die Gefahr einer Verwechslung von Medikamenten oder Blutkonserven zu verringern. Die Chips erhöhen auch die Fälschungssicherheit von Eintrittskarten – so geschehen bei der FIFA Fußballweltmeisterschaft 2006.
Vom Transponder zum Lesegerät
Eine RFID-Lösung hat immer zwei Seiten: Transponder und Lesegerät. Der Transponder ist ein Datenträger mit Antenne, und er kann viele Formen haben: ein Etikett im Supermarkt, eine Eintrittskarte aus Papier, eine Plastikkarte. Doch eines steckt immer drin: Ein RFID-Chip, der die verschlüsselten Informationen speichert. Die Reichweite hängt vom Chiptyp und der Konfiguration der Einheit ab. Es gibt verschiedene Frequenzbereiche, und man unterscheidet zwischen passiven und aktiven Transpondern. Passive werden ausschließlich über das elektromagnetische Feld des Lesegeräts mit Energie versorgt. Aktive Transponder sind dagegen „Selbstversorger“, etwa durch eine Batterie; das führt zu einer höheren Reichweite. RFID-Lösungen sind mit allen gängigen Schnittstellen kompatibel, können also an eine Software angebunden werden.
Wie ein Barcode – nur ganz anders
Es heißt oft, RFID sei mit dem Barcode vergleichbar. Das aber ist stark vereinfacht. Ein Barcode bezeichnet nur die Art eines Produktes, etwa „ein Paket Nudeln der Marke X für 89 Cent“. Ein Transponder dagegen weiß, dass es sich genau um dieses Paket Spaghetti handelt und um kein anderes. Er kennt die individuelle Geschichte dieser Packung. Obendrein muss beim Barcode ein Lesegerät in die Nähe des Codes gehalten werden, damit die Daten fließen – der RFID-Chip wird dagegen nicht direkt abgelesen, sondern sendet seine Informationen auf Abruf.
Schwächen und Hindernisse
So verlockend die neue Technologie ist, sie hat (noch) ihre Schwachstellen: Nicht bei allen Materialien werden die Daten sicher vom Chip auf das Lesegerät übertragen. Alufolie und Flüssigkeiten zum Beispiel machen Schwierigkeiten. Und in einem Supermarkt, dessen gesamter Bestand RFID-Tags trägt, fallen enorme Datenmengen an – mehrere Terabyte pro Sekunde, schätzen Experten. Dafür müssten Rechnerkapazitäten kostspielig ausgebaut werden. Dennoch investieren Handel und Industrie jährlich mehrere Mrd. Euro in die RFID-Forschung, um die Technik marktreif zu machen.
Und: Bisher sind RFID-Lösungen vergleichsweise teuer, so dass sich der Einsatz mitunter noch nicht rechnet. Denn damit das System funktioniert, muss es ganze Sortimente umfassen, im Handel zum Beispiel auch niedrigpreisige Produkte wie Kaugummis. Da fallen die Kosten für die Auszeichnung meist noch zu hoch aus. Doch die Hersteller arbeiten an Kosten sparenden Verfahren und gehen davon aus, dass die Preise für die Minibauteile bei großflächigen Einsätzen bald fallen.
Fazit: RFID muss können, was KMU brauchen
Auch wenn bisher die Kosten einen großflächigen Einsatz von Funketiketten verhindern – hier dürfte ein wahrhaft enormes Potenzial für die Wirtschaft liegen. In den Bereichen Logistik und Lagerhaltung ist die Technik schon jetzt praktisch unverzichtbar. Andere Möglichkeiten werden wohl einfach deshalb umgesetzt werden, weil RFID eben noch mehr kann – auch wenn es eine Strichliste ebenso täte.
Eine Voraussetzung für den Erfolg ist in jedem Fall, dass die Verbraucher RFID akzeptieren. Falls die Technik ins Image eines Big-Brother-Instruments abgleitet, wird sie am Ende eine Hacker– und Störerszene hervorbringen, die in den Rängen der ebenso technikbegeisterten wie trotzigen Internet-Jugend willige Rekruten findet. Hersteller sollten Datenschutz-Bedenken also ernst nehmen und Lösungsansätze aufzeigen. Anwender müssen bedenken, dass ihre Lieferwege dann in den Bereich der IT-Security fallen und eigene Unternehmensinformationen massenhaft auslesbar sind. So etwas sollte sicher sein.