Radioaktivität

Gefahren und Schutzmaßnahmen

Von Michael J.M. Lang

Nach Reaktorunfällen wie in Fukushima ist die Angst der Bevölkerung vor der radioaktiven Strahlung immer besonders groß. Was nicht zuletzt daran liegt, dass die wenigsten wissen, woraus diese Strahlung besteht und wie schädlich sie wirklich ist.

Auch über mögliche Schutzmaß­nah­men werden dann immer wieder viele Irrtümer verbreitet. Zudem versuchen nicht wenige poli­ti­sche Gruppen und Parteien aus der aktuellen Situation Kapital für ihre politischen Ziele zu schlagen und schrecken dabei – je nach politischer Richtung – weder vor Panikmache noch vor Verharmlosung zurück. Deshalb hier einige Hintergrundinformationen zum Thema.

Strahlungsarten

Radioaktive Strahlung kommt in drei Formen vor:

Alphastrahlung

Die Alphastrahlung (α-Strahlung) ist genau genommen keine echte Strahlung. Sie wird deshalb oft als Teilchenstrahlung bezeichnet und besteht aus Atomkernen des chemischen Elements Helium. Helium ist nach Wasserstoff das leichteste Gas. Die Alphastrahlung besteht allerdings aus den Atomkernen einer Variante des Heliums, dem Helium-4. Diese wirken stark ionisierend und schädlich für lebendes Gewebe.

Weil es sich aber um einen Atomkern – also Materie – handelt, lässt sich Alphastrahlung durch andere feste und flüssige Materie leicht abschirmen. Ihre Reichweite beträgt in Luft weniger als einen halben Meter. Bereits ein dickeres Blatt Papier vermag Alphastrahlung abzuschirmen. Gelangen allerdings in den Körper (z.B. in die Lunge) radioaktive Partikel, die Alphateilchen aussenden, schädigen die Heliumkerne die Zellen extrem stark. Äußerlich einwirkende Alphastrahlung ist jedoch weitgehend harmlos.

Betastrahlung

Auch die Betastrahlung (β-Strahlung) ist genau genommen keine Strahlung. Sie besteht wie die Alphastrahlung aus Materieteilchen, in diesem Fall allerdings aus Elektronen – oder in selteneren Fällen Positronen. Elektronen und Positronen sind jedoch erheblich kleiner und leichter als Heliumkerne. Ihre Eindringtiefe in feste und flüssige Stoffe ist daher höher als die von α-Teilchen.

Immerhin schirmt bereits ein leichtes Aluminiumblech diese Teilchen gut ab. Auch für die Betastrahlung gilt: Von außen ist sie relativ harmlos (aber gefährlicher als Alphastrahlung). Sie kann allerdings anders als Alphastrahlung Hautkrebs und eine Trübung der Augenlinsen erzeugen. Eingeatmete oder mit der Nahrung aufgenommene Betastrahler entfalten aber im Körper ein beachtliches Zerstörungspotenzial.

Gammastrahlung

Gammastrahlung (γ-Strahlung) ist die einzige echte, nämlich elektromagnetische Strahlung unter den drei Arten radioaktiver Strahlungen. Als elektromagnetische Strahlung ist sie mit dem Licht verwandt. Für diese Art Strahlung gilt ganz grob: Je höher die Frequenz (Zahl der Schwingungen pro Zeiteinheit), desto höher ist die Energie der Strahlung und desto höher ist damit ihr Zerstörungspotenzial.

Die Frequenz der Gammastrahlung liegt nun weit über jener des sichtbaren Lichts und noch über der von Röntgenstrahlung. Die Wirkung von Gammastrahlen ist daher vergleichbar mit der einer besonders intensiven Röntgenstrahlung. Wie diese schädigt Gammastrahlung lebende Organismen durch Ionisierung. In der Praxis zerstört sie Zellstrukturen und Erbinformationen. Bei intensiver Einwirkung sterben die Zellen komplett ab.

Gammastrahlen durchdringen feste und flüssige Materie – ähnlich wie Licht das Wasser – relativ leicht. Ihre Reichweite ist deshalb hoch und eine Abschirmung nur durch dickes und schweres Material, z.B. Blei, möglich. Zudem verbreitet sich Gammastrahlung wie jede elektromagnetische Strahlung mit Lichtgeschwindigkeit, also praktisch augenblicklich. Wie das Licht einer Glühbirne breitet sich Gammastrahlung linear aus und stellt deshalb hinter ausreichend massiven geologischen Formationen, wie z. B. Hügeln keine Gefahr dar.

Gegenmaßnahmen

Schutzanzüge

Die Bilder aus Fukushima, dem Ort der japanischen Reaktorkatastrophe, erschienen auch deshalb so furchteinflößend, weil ständig Rettungskräfte in Strahlenschutzanzügen zu sehen waren. Was aber viele Menschen verblüfft: Diese Schutzanzüge wirken leicht und dünn. Wie können derart leichte Stoffe radioaktive Strahlen abhalten?

Erinnern wir uns an die oben erläuterten drei Strahlungsarten: Diese Schutzanzüge sollen (und können) – anders als die Schutzkleidung von Röntgenärzten – die Strahlung selbst überhaupt nicht abhalten, sondern sollen ihre Träger davor bewahren, dass sich radioaktiver Staub auf ihrer Haut ablagert. Vor dem Einatmen strahlender Staubpartikel schützen sich die Helfer aus dem gleichen Grund mit Atemmasken.

Jodtabletten

Jod selbst schützt keineswegs vor radioaktiver Strahlung. Diese Irrmeinung basiert auf einem Missverständnis. Das in Tablettenform eingenommene konzentrierte Jod soll lediglich verhindern, dass anstelle des normalen, nichtstrahlenden Jods radioaktives Jod aus einem Reaktorunfall in die Zellen des menschlichen Körpers – vor allem in die der Schilddrüse – eingebaut wird. Nachträglich eingenommenes Jod ist deshalb wirkungslos, denn es kann strahlendes Jod nicht mehr verdrängen.

Umgekehrt sind Jodtabletten zwar nicht giftig, aber in der für den Strahlenschutz vorgesehenen Dosis eingenommenes Jod ist alles andere als gesund. Menschen mit bestimmten Krankheiten können sogar schwere Nebenwirkungen erleiden. Wer deshalb hier in Deutschland aus Angst vor den Auswirkungen der Reaktorkatastrophe in Japan Jodtabletten einnimmt, schadet seiner Gesundheit mehr, als ihm das Jod nützt. Entsprechende Hinweise zu den Gefahren einer unnötigen vorsorglichen Einnahme gibt die Website der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

Strahlenschutzmessgeräte

Elektronikversender und Internet-Händler bieten nach Reaktorunfällen verstärkt Strahlenschutzmessgeräte für Privatleute an. Vom Kauf dieser Geräte kann man nur abraten. Die meisten dieser überteuert angebotenen Produkte taugen wenig bis nichts. Sie sind weder geeicht, noch erlauben sie qualitative Aussagen.

Aber auch die Anschaffung professioneller Geräte ist wenig sinnvoll. Ihre Messergebnisse können ohne Fachwissen nicht richtig interpretiert werden, denn die Gefahr von radioaktiver Strahlung hängt von vielen Faktoren ab, die nur mit dem Wissen eines Fachmanns eingeschätzt werden können.

Noch ein weiterer Grund, der gegen die Anschaffung spricht: Ausreichend gute Geräte sind nicht nur in der Anschaffung sehr teuer, sondern auch in der Wartung, denn die Geräte müssen regelmäßig nachgeeicht und auf ihre Funktion hin geprüft werden.

Einen guten und leicht verständlichen Überblick über die Geräteformen und die Problematik bietet die Website der Wiener Universitätsklinik für Nuklearmedizin.

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