Die Physik lässt sich nicht überlisten
Ralf Koenzen von Lancom Systems versteht Mesh so: „Ein WLAN-Mesh-System besteht aus einem (WLAN-)Router und mehreren Access Points, die anstelle von Netzwerkkabeln per ‚WLAN-Backbone‘ miteinander verbunden sind. Durch die nicht nötigen Netzwerkkabel soll der Installationsaufwand gegenüber herkömmlichen WLAN-Netzwerken gering gehalten werden, da für die Access Points nur eine Stromversorgung benötigt wird. Oftmals gibt es dabei eine dynamisch vermaschte Struktur zwischen den Access Points, je nach Funkfeldsituation verändern sich also die Datenwege im WLAN-Backbone.“
Zum Thema Mesh-Vorteile sagt Ralf Koenzen: „Auf den ersten Blick scheinen die Vorteile auf der Hand zu liegen: keine LAN-Verkabelung, einfach Access-Points in die Steckdose stecken und fertig. Die Praxis zeigt aber schnell, dass diese Vorteile mit erheblichen Einbußen an Stabilität und Performance erkauft werden und ein professioneller Betrieb damit nicht möglich ist. Durch die hohe Dynamik in der vermaschten Struktur ist auch eine Stabilisierung oder Optimierung des WLAN Netzes sehr schwer. Ein einziger in der Nähe neu installierter Access Point kann das mühsam optimierte WLAN-Mesh-Netzwerk erheblich stören und damit betriebliche Probleme auslösen.“
Ralf Koenzen von Lancom zu den Mesh-Nachteilen: „Wir sind der Überzeugung, dass Mesh bzw. WLAN-Backbone-Infrastrukturen nur in sehr speziellen Betriebsszenarien sinnvoll einsetzbar sind. Grund hierfür ist vor allem das begrenzte WLAN-Funkspektrum. Insbesondere ist das bereits vollkommen überbelegte 2,4-GHz-Frequenzband an vielen Orten oft kaum noch sinnvoll zu nutzen. Das mit vielen Beschränkungen, wie relativ kurze Reichweite oder DFS, versehene 5-GHz-Frequenzband wird durch die ständig wachsende Verbreitung von Gigabit-WLAN nach dem IEEE 802.11ac-Wave-2-Standard auch immer weiter belegt. […] In einem Umfeld, in dem eine wachsende Anzahl von WLAN Clients immer mehr Bandbreite durch Multimedia- und Streaming-Anwendungen verbraucht, ist es kaum möglich, auch noch Bandbreiten zum Aufbau eines Mesh-Systems bereitzustellen. Dabei wird jedes Paket bei einem solchen System ja auch noch mehrfach durch die Luft übertragen, und insbesondere in belasteten Funknetzen brechen die tatsächlich erreichbaren Bandbreiten teils dramatisch ein.“
Ralf Koenzen, Geschäftsführender Gesellschafter von Lancom Systems (Bild: Lancom Systems)
Sein Fazit: „Stabiles WLAN Meshing ist daher weder im Sinne der ohnehin schon durch die verschieden Vorgaben begrenzten WLAN-Bandbreiten-Ressourcen zielführend noch für Unternehmenszwecke ausreichend stabil umsetzbar. Wir empfehlen Unternehmen dringend, hier keine Experimente zu machen – die Physik lässt sich leider nicht überlisten.“
Dieses Interview in voller Länge gibt es in der WiFi-WLAN-Sammlung von Dr. Harald Karcher.
WLAN-Experten definieren Mesh-Netze:
- David Sosnik, ASUS
- Dr. Gerd Thiedemann, AVM
- Robert Rudolph, D-Link
- Ralf Koenzen, Lancom Systems
- Martin Topf, Linksys
- Beate Winzer-Hierlmeier, Netgear
- Jeremy Barber, TP-Link
- Patrick Hirscher, Zyxel
Die Einleitung dazu erklärt die entsprechenden WLAN-Architekturen im Überblick. Die Fortsetzung berichtet, wie sich im AVM, Eero, Google, Luma und Orbi im Praxistest geschlagen haben.