Machen ist gut, verkaufen ist strafbar
Von Michael Praschma
Legosteine, Schachfiguren, Campinggeschirr – das waren vor gefühlten 20 Jahren die Themen für den 3D-Druck. Heute baut Boeing mit der Weiterentwicklung dieser Technologie Lasersinterteile für den Kampfjet F-18 Hornet. Und das private Raumfahrtunternehmen SpaceX stellt mit 3D-Druck Raketentriebwerke her, die für einen Schub von über 70.000 Newton ausgelegt sind. 3D-Druck arbeitet mit Keramik, Metallen, Kunstharzen und Werkstoffkombinationen; die Medizintechnik verwendet ihn ebenso wie Architektur und Kfz-Industrie. Wer will, lädt sich die Druckvorlagen für Auto-Extras herunter: „Your way to a more perfect Subaru.“ Nicht von Subaru, wohlgemerkt. Insgesamt steckt eine ganze Menge alter Rechtsfragen im jungen 3D-Druck.
Auto ohne Versicherungsschutz
Ganze Autos aus dem Drucker gibt es schon, wenn auch nicht in Serie. Die US-Firma Kor Ecologic hat mit dem Prototyp des Urbee 2 quasi bastlerisch schon Anfänge dazu gelegt. Der Fahrzeugbau ist ein exzellentes Beispiel für einen anderen Aspekt der Technikfolgenabschätzung: für Haftungsfragen.
Personen- und Sachschäden im Zusammenhang mit Fahrzeugen im Straßenverkehr können Millionenbeträge ausmachen. Solange nur Lautsprecherblenden oder der Knauf des Schalthebels aus dem 3D-Drucker kommen, spielt die Haftungsfrage kaum eine Rolle. Auch wenn der bereits angebotene Porsche-Zylinderkopf „Do it yourself“ ist und vielleicht einen Motorschaden verursacht, beschränkt sich der Ärger eher auf den Fahrzeughalter. Aber der Weg vom Zylinderkopf zur Bremsenkomponente ist nicht mehr weit. Was nun, wenn die Haftpflichtversicherung entdeckt, dass ein Unfall auf das Versagen genau dieses Bauteils zurückzuführen ist?
Ohne auf die Kompliziertheiten der Straßenverkehrsordnung einzugehen: Wenn das Teil für den Einbau nicht zugelassen war und – fachmännisch erkennbar – auch nicht ausreichend sicher, dann wäre die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug erloschen. Bei Schäden könnte der Haftpflichtversicherer den Verantwortlichen in Regress nehmen, also die Werkstatt, den Halter, eventuell auch den Hersteller des Teils. Daran ist an sich nichts neu. Doch der 3D-Druck erleichtert die Anfertigung von Werkstücken – etwa so, wie vor Jahrzehnten die Verbreitung des Kopierers massenhafte Copyright-Verletzungen ermöglichte.
Schwarz auf Weiß
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Strafbare Blaupausen
Das Urheberrecht und auch der Marken– und Patentschutz sind weitere juristische Stolpersteine beim 3D-Druck; von kriminellem Vorsatz ganz zu schweigen. Die Gesetze und die Rechtsprechung dazu sind teilweise verwirrend: Legosteine etwa dürfen nachgebaut und auf den Markt gebracht werden. Ihr Schutz ist erloschen (das ist ausgestritten bis zum Europäischen Gerichtshof), solange nicht das Logo (oder Lego) auf dem Stein steht. Auch Spielfiguren fallen unter diese Regelung. Es fehlt ihnen nämlich meistens an der sogenannten Schöpfungshöhe, auf gut Deutsch: Sie sind weder Kunstwerk noch Erfindung im engeren Sinn.
Genau an dieser begrifflichen Schnittstelle sollte jedoch jeder Vorsicht walten lassen, wer bereits vorhandene Dinge mit dem 3D-Drucker vervielfältigen will, und das vielleicht auch noch gewerblich. Denn:
- Das Urheberrecht schützt ganz automatisch künstlerische und wissenschaftliche Werke aller Art (§ 2 UrhG), und zwar in der Regel bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Darunter fallen unter Umständen auch die Konstruktionspläne bzw. CAD-Dateien. Die unerlaubte Verwertung kann mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug bestraft werden. Hinzu kommen unter Umständen empfindlich hohe Kosten z.B. durch Abmahnungen. Unternehmen, die auf der sicheren Seite bleiben wollen, sollten mit den (externen) Zeichnern in der Verwertungskette entsprechende (arbeitsvertragliche) Nutzungsvereinbarungen treffen.
- Das Geschmacksmuster ist gewissermaßen der kleine Bruder der Werke, die das Urheberrecht schützt. Der Gesetzgeber schützt so etwas inzwischen bis zu 25 Jahre lang unter dem Begriff Designschutz (§ 2 DesignG). Im Gegensatz zum Urheberrecht ist Voraussetzung für die Schutzwürdigkeit, dass das Design neu ist, sich von vorhandenen Designs erkennbar unterscheidet und dass es eingetragen ist. Die Rechtsfolgen einer Verletzung des Designschutzes sind vielfältig und reichen von Schadenersatz über Vernichtung der Erzeugnisse bis zu fünfjährigen Haftstrafen bei gewerbsmäßiger Handlung.
- Im Bereich des Markenschutzes kommen beim 3D-Druck eher Bildmarken als Wortmarken infrage (§ 3 MarkenG). Wer also das Logo auf dem Legostein mit ausdruckt, hat genau an diesem Punkt ein Problem. Auch hier gilt der Schutz nur bei entsprechender Eintragung ins DPMA-Register des Deutschen Patent- und Markenamts. Dabei muss man unter anderem auf den geografischen Geltungsbereich des Schutzes achten. Auch in diesem Bereich sind die Konsequenzen von Rechtsverletzungen durchaus furchteinflößend. Ähnlich ist es beim Patentrecht, über das wieder das DPMA-Register Aufschluss gibt.
- Die Fallgrube des Wettbewerbsrechts droht überall da, wo Produkte versuchen, durch Nachahmung am Image oder der besonderen Herkunft ähnlicher Waren „mitzunaschen“. Große Marken fahren gegenüber Plagiaten regelmäßig schweres Geschütz auf, wenn sie der Verantwortlichen habhaft werden können. Da sich die strafbaren Tatbestände in diesen und den zuvor genannten Rechtsbereichen teils überschneiden, ist die Chance recht gering, hier ein Schlupfloch zu finden. Die Straf- und Bußgeldvorschriften sind auch hier streng.
Unternehmen, die im Auftrag 3D-Vorlagen ausführen, sind gut beraten, wenn sie sich mit einer Standardklausel bestätigen lassen, dass die Umsetzung keine Rechte Dritter verletzt. Umgekehrt sollten 3D-Auftraggeber Sorge tragen, dass ihre Forschung und Entwicklung nicht als CAD-Datei den Weg auf eine Tauschbörse findet. Zuverlässige Servicebetriebe der additiven Fertigung haben hierzu bereits passende Verschwiegenheits– und Datensicherheitsformulierungen in ihren AGB.
Fazit: Eine Szene für Erfinder
Die zahlreichen rechtlichen Risiken erwecken schnell den – falschen – Verdacht, 3D-Druck sei vor allem eine Technologie für Plagiatoren, Fälscherwerkstätten und skrupellose Geschäftemacher. Dabei handelt es sich zunächst einfach nur um ein machtvolles neues Werkzeug. Und natürlich kann man es auch missbrauchen. Primär aber ermöglicht es die Umsetzung eigener kreativer Ansätze: für so vielfältige Bereiche wie Produktentwicklung, schlankes Design, ressourcenschonende Fertigung, innovativen Materialeinsatz und vieles mehr.
Das Neuartige an zunächst disruptiven Techniken wie Internet, CAD oder eben 3D-Druck ist, dass der Content, die Blaupausen bzw. die Software immer leichter und zum Teil frei zugänglich zur Verfügung steht. Probleme entstehen dann, wenn Unternehmen, Anwender oder einfach nur findige Nerds übersehen, dass manches eben doch unter dem Schutz bestehenden Rechts steht. Aber das kann man sich ja hinter die Ohren schreiben.
Die längste Zeit gediehen 3D-Technologien in der Nische der Auftragsforschung. Jetzt hat die additive Fertigung deutlich an Masse gewonnen, doch die rechtliche Lage ist oft noch unsicher, weil wegweisende Urteile fehlen. In etlichen Fällen sind bestehende Entscheidungen mutatis mutandis zu übertragen, etwa wenn es um die Frage geht, ob 3D-Druckdienstleister bei der Umsetzung von urheberrechtlich geschütztem Material haften. Hier greift im Prinzip die Logik, die in jedem Copyshop gilt: Der Ausführende muss seine Kundschaft nicht einzeln kontrollieren; ein Hinweis und die erforderliche Sorgfalt sind ihm aber zuzumuten.
Michael Praschma ist Texter, Lektor und Redakteur. Er beherrscht so unterschiedliche Gattungen wie Werbetext, Direct Marketing, Claims, Webtext, Ghostwriting, Manuals oder PR. Außerdem treibt er sich – schreibend und anderweitig engagiert – in Journalistik, Non-profit-Organisationen und Kulturwesen herum. Seine Kunden kommen aus verschiedensten Branchen. Am MittelstandsWiki schätzt er die Möglichkeit, mit eigenen Recherchen auf den Punkt zu bringen, was Verantwortliche in Unternehmen interessiert. → https://praschma.com/