Drei Jahre eher neu starten
Von Sabine Wagner
Persönlich haftende Unternehmer können sich unvermutet in der Privatinsolvenz wiederfinden. Bevor man einen solchen Antrag stellt, ist momentan jedoch gut abzuwägen, ob es im konkreten Einzelfall nicht sinnvoller ist, ihn erst 2014 stellen. Am 1. Juli 2014 tritt nämlich das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens in Kraft. Dann erhalten Unternehmer, die freiberuflich oder anderweitig selbstständig tätig sind, drei Jahre früher – nämlich schon nach drei Jahren – die Chance auf einen wirtschaftlichen Neustart.
Für jeden Unternehmer und jeden Selbstständigen ist es der finale Albtraum: Das Unternehmen kommt unvorhergesehen in eine Schieflage. Für die Firme ist bittererweise bereits der Insolvenzantrag gestellt. Damit ist die Sache aber oft noch nicht ausgestanden: Viele Verantwortliche haben, weil sie diesen schlimmsten aller Fälle für ausgeschlossen hielten, Verträge unterschrieben, die sie persönlich mithaften lassen. Also machen die Gläubiger die Forderung ihnen als Privatpersonen gegenüber in voller Höhe geltend. Die Summe der Banken, Lieferanten etc. ist so hoch, dass tatsächlich nichts als die Kapitulation bleibt. Nur noch eine Privatinsolvenz bietet dann die Chance auf einen wirtschaftlichen Neustart. Zum 1. Juli 2014 ändern sich die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür ganz erheblich.
Forderungen, Frist und Versagung
Voraussetzungen dafür, dass ein Unternehmer bereits drei Jahre früher wieder auf die Beine kommen kann, sind:
- Der Insolvenzantrag wird frühestens am 1. Juli 2014 gestellt.
- Der Schuldner begleicht in den drei Jahren mindestens 35 % seiner Gläubigerforderungen.
- Der Schuldner begleicht zudem die gesamten Verfahrenskosten.
Von dieser Regelung profitieren auch die Gläubiger, da sie nach drei Jahren einen bedeutsamen Teil ihrer Forderungen erhalten. Unter der bisherigen Regelung kann es sein, dass dies in gleicher Höhe erst nach sechs Jahren der Fall ist.
Das Gesetz stärkt zugleich die Rechte der Gläubiger, indem das Versagungsverfahren (mit dem die Gläubiger eine Restschuldbefreiung verhindern können) vereinfacht wird. Zukünftig können die Gläubiger jederzeit einen Versagungsantrag stellen und nicht, wie bisher, erst nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode.
Ein juristischer Dreiteiler erläutert alles, was Unternehmer über das Insolvenzverfahren wissen müssen: Teil 1 erklärt die Prinzipien und listet die Antragsberechtigten nach Gesellschaftsform. Teil 2 geht die Abläufe im Einzelnen durch und bespricht die wichtigsten Stationen bis zum Schlusstermin. Teil 3 hat kompakt praktische Tipps für Insolvenzschuldner und -gläubiger parat. Daneben geben Schwerpunktbeiträge Auskunft darüber, was im Angesicht drohender Insolvenz zu tun ist, wie der Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit gefasst ist, was Überschuldung heißt und welche Alternativen im Fall von Insolvenz durch Überschuldung noch offen stehen, was mit Lizenzen in der Insolvenz geschieht, welchen rechtlichen Status Gesellschafter im Insolvenzverfahren haben, wie das Verhalten in der Insolvenz die Abläufe beeinflusst und wie die Planinsolvenz in Eigenverwaltung (im Schutzschirmverfahren) funktioniert.
Schritt für Schritt zur Restschuldbefreiung
Ein Insolvenzfall, der kalkulieren kann, dass er es schafft, in den ersten drei Jahren mindestens 35 % der Gläubigerforderungen zu begleichen, und der außerdem keine positive Kenntnis davon hat, dass einer seiner Schuldner (oder sogar mehrere) einen Versagungsantrag stellen werden, sollte die Übergangszeit bis zur Antragstellung wie folgt nutzen:
- Ein neues Konto bei einer anderen Bank eröffnen (um Gläubigerpfändungen und den Verlust des Monatseinkommens zu vermeiden) – wichtig: Die Gläubiger sollten vorerst nichts von dem neuen Konto erfahren und die neue Bank sollte keine Verbindung zur alten Bank und den Gläubigern haben.
- Mit anwaltlicher Unterstützung abklären, welche Vermögenswerte vor der Verwertung durch Gläubiger geschützt werden können.
- Wenn die ersten beiden Punkte erledigt sind: sofort die Zahlung gegenüber allen Gläubigern einstellen, mit Ausnahme der Gläubiger, die die Lebensversorgung ermöglichen (Vermieter, Stromanbieter, Internet-Provider etc.).
- Ein anwaltliches Schreiben an die Gläubiger schicken: mit der Mitteilung der Zahlungsunfähigkeit sowie der Information, dass mangels Masse Vollstreckungsmaßnahmen ins Leere gehen; ferner, dass beabsichtigt ist, einen Insolvenzantrag zu stellen und dieser gerade vorbereitet wird. (So vermeidet man, dass ein Gläubiger Inkassobüros einschaltet bzw. dass er, falls er es doch tut, die Kosten auf den Schuldner abwälzen kann.)
- Alle Gläubiger und die damit verbundenen Forderungen nebst Schriftverkehr vollständig erfassen.
- Vom Anwalt einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan auf Basis der kompletten Liste aller Gläubiger und deren Forderungen (einschließlich Kosten und Zinsen). Sofern die Gläubiger auf diese außergerichtliche Entschuldung nicht eingehen, stellt der Rechtsanwalt eine Bescheinigung nach § 305 Insolvenzordnung (InsO) aus. Diese Bescheinigung ist für die Privatinsolvenz erforderlich.
Sobald der Insolvenzantrag gestellt ist, tritt Pfändungsschutz ein, d.h. alle Zwangsvollstreckungen werden gemäß §§ 88, 89 InsO wirkungslos.
Fazit: Rechtsbeistand als Puffer
Sich vor und während der Privatinsolvenz anwaltlich begleiten zu lassen, ist bereits aus rechtlichen Gründen anzuraten. Zudem ist es persönlich sehr entlastend, wenn ein Rechtsanwalt als neutrale Person zwischen den Gläubigern und dem Schuldner als Puffer eingeschaltet ist. Wichtig ist im Vorfeld, mit dem Rechtsanwalt dessen Kosten und das Zahlungsziel abzuklären; außerdem gilt es, sicherzustellen, dass die für den Mandanten finanziell günstigste Form der Abrechnung erfolgt. Man wird feststellen, dass der Druck spürbar abnimmt, und der Blick kann sich wieder neugierig und zuversichtlich in die Zukunft richten.