Rügepflicht: Wann das Handelsrecht keine Gewährleistung kennt

Im Geschäft unter Kaufleuten sind Mängel an einer Ware unverzüglich anzuzeigen, sonst verliert der Käufer jeden Anspruch auf Gewährleistung. Ein aktueller Fall hat gezeigt, dass diese Rügepflicht sogar dann gilt, wenn der tatsächliche Abnehmer selbst kein Kaufmann, sondern „nur“ Verbraucher ist.

Keine Mängelansprüche bei Verstoß gegen die Rügepflicht

Von Sandra Voigt, anwalt.de

Haben zwei Kaufleute einen Kaufvertrag geschlossen, liegt ein sogenannter Handelskauf vor. Neben den §§ 433 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind daher ergänzend die §§ 373 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) anzuwenden. So muss der Käufer u.a. die Ware bei Erhalt überprüfen und einen etwaigen Sachmangel unverzüglich dem Verkäufer gegenüber rügen, (§ 377 I HGB). Sonst verliert der Käufer in der Regel seine Gewährleistungsansprüche – die Ware gilt als genehmigt. Doch gilt diese Vorgehensweise auch bei einem Werklieferungsvertrag über sonderangefertigte Ware?

Lieferung und Einbau direkt beim Kunden

Folgender Fall: Zwei Kaufmänner schlossen einen Vertrag über die Herstellung, Lieferung, Übergabe und Montage von Türen. Sie einigten sich darauf, dass der Verkäufer die sonderangefertigte Ware gleich an den Kunden des Käufers, einen Bauherrn, liefern sollte. Der wies seinen Vertragspartner einige Zeit nach Lieferung und Montage der Türen auf deren Mangelhaftigkeit hin und erwähnte, dass er die Mängel bereits vorigen Winter, also vor fast einem Jahr, entdeckt habe.

Als der Kaufmann den Hersteller und Verkäufer der Türen hierüber informierte und Gewährleistungsansprüche geltend machen wollte, stieß er jedoch auf Ablehnung: Da der Käufer die Mängel zu spät nach § 377 I, II HGB gerügt habe, gelte die Ware als genehmigt. Diese Vorschrift sei auch anwendbar, da die Parteien keinen Werkvertrag, sondern einen Werklieferungsvertrag geschlossen hätten, auf den das Kaufrecht anzuwenden sei. Der Streit der beiden Kaufmänner endete vor Gericht.

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Das Oberlandesgericht (OLG) Köln wies sämtliche Ansprüche des Käufers zurück (Beschluss vom 13. April 2015, Az.: 11 U 183/14). Schließlich hatte er die offenen Mängel zu spät gerügt – gemäß § 377 II HGB galt die Ware somit als genehmigt. Das wiederum führte dazu, dass der Käufer keine Gewährleistung mehr verlangen konnte.

Kaufvertrag, Werkvertrag und Werklieferungsvertrag

Zunächst einmal gilt, dass § 377 HGB nur anwendbar ist, wenn zwei Kaufleute einen Kaufvertrag geschlossen haben. Ob ein solcher vorliegt, ist schwer zu beurteilen, wenn die Ware erst noch hergestellt und später auch noch geliefert und montiert werden muss. Das spräche nämlich eher für den Abschluss eines Werkvertrags nach den §§ 631 ff. BGB. Welcher Vertrag also tatsächlich abgeschlossen wurde, hängt vom Schwerpunkt der Leistung ab.

Das OLG war der Ansicht, dass es den Parteien vor allem um die Übertragung von Eigentum und Besitz an den hergestellten Türen geganen war – Montage und Lieferung waren dabei bloße Nebenleistungen, um den Eigentumserwerb überhaupt erst zu ermöglichen. Damit lag ein sogenannter Werklieferungsvertrag nach § 651 BGB vor, auf den die Vorschriften des Kaufrechts, also die §§ 433 ff. BGB und somit auch die §§ 373 ff. HGB anzuwenden sind.

Zwar wurden die Türen nach den individuellen Wünschen des Bauherrn hergestellt, sodass auf den ersten Blick eher ein Werkvertrag vorliegen könnte. § 651 BGB setzt allerdings nur die Lieferung beweglicher Sachen voraus – ob sie nach Kundenwünschen hergestellt wurden oder nicht, spielt daher keine Rolle, solange der Herstellungserfolg nicht Schwerpunkt der Leistung ist. Aber: Bei sonderangefertigter Ware sind gemäß § 651 S. 3 BGB Vorschriften des Werkvertragsrechts zu beachten, die vorliegend jedoch nicht einschlägig waren.

Die Rügeobliegenheit bleibt beim Käufer

Die in § 377 I HGB genannte Rügeobliegenheit (der Käufer hat die Ware zu prüfen und Mängel unverzüglich anzuzeigen) trifft den Käufer selbst dann, wenn er seinem Abnehmer die Untersuchung auf Mängel überlassen hat. In diesem Fall muss er sicherstellen, dass er über etwaige Mängel informiert wird, um diese gegenüber dem Verkäufer rügen zu können. Ferner muss sich der Käufer eine unterlassene Mängelanzeige durch den Abnehmer zurechnen lassen – sogar dann, wenn der Abnehmer selbst kein Kaufmann, sondern „nur“ Verbraucher ist (vgl. § 478 VI BGB).

Im geschilderten Fall hat der Abnehmer – der Bauherr – erst knapp ein Jahr nach ihrer Entdeckung auf die offenen Mängel hingewiesen. Damit erfolgte auch die Mängelrüge des Käufers eindeutig zu spät. Denn er hätte die Mängel nach § 377 I HGB „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern, dem Verkäufer anzeigen müssen, um die Gewährleistungsrechte nicht zu verlieren.

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