Zeit für eine Auszeit
Von Friedrich List
Menschen nutzen das sogenannte Sabbatical für ganz verschiedene Projekte. Das kann eine Auszeit vom Beruf, eine große Reise, die Arbeit für ehrenamtliche Projekte oder einfach mal Zeit mit der Familie bedeuten. Üblich sind Zeitperioden zwischen drei Monaten und einem ganzen Jahr. Allerdings beruht das Sabbatjahr in Deutschland weitgehend auf individuellen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Nur der öffentliche Dienst kennt einen echten Rechtsanspruch. In der freien Wirtschaft gibt es einen solchen nicht, auch wenn mehr und mehr Arbeitgeber ein Sabbatical anbieten.
Ein Sabbatjahr kann genau das Richtige sein, um einer stagnierenden Karriere wieder neue Impulse zu geben, eine Familienkrise zu bewältigen oder einem drohenden Burnout vorzubeugen. Allerdings erfordert es einige Vorbereitung und Überzeugungsarbeit, denn Arbeitgeber zögern in der Regel, jemanden für Monate oder ein ganzes Jahr freizustellen. Immerhin müssen sie in dieser Zeit den Abwesenden ersetzen. Für den Arbeitnehmer stellen sich hingegen Fragen des Versicherungsschutzes und der Altersversorgung. Und auch wie es nach der Rückkehr weitergeht, muss ausgehandelt werden.
Was ist ein Sabbatical?
Das Wort Sabbat geht auf den hebräischen Ruhetag Schabbat zurück, den siebten Tag der Woche. Schon in biblischen Zeiten, aber auch im heutigen Judentum bedeutet der Schabbat eine Zeit des Ausruhens und Innehaltens, an dem keine Arbeit verrichtet werden soll. Analog dazu gab es auch schon das Sabbatjahr: So sollten im siebten Jahr Felder und ihre Bearbeitung ruhen, Äcker und Weinberge brach liegen. Was weiter wuchs, gehörte den Armen. Nach sieben mal sieben Jahren gab es sogar einen Schuldenerlass und Sklaven sollten freigelassen werden. Die christliche, speziell die katholische Tradition übernahm diese – wie auch viele andere – Regelungen zum Teil. Bis heute können sich Amtsträger und hauptamtliche Mitarbeiter freistellen lassen, um an ihrer geistlichen Orientierung zu arbeiten.
Als Bezeichnung für eine weltliche Auszeit verbreitete sich der Ausdruck Sabbatical zunächst in den USA. An US-amerikanischen Universitäten kennt man das Sabbatical als Begriff für Frei- oder Forschungssemester. Inzwischen sind Sabbaticals aber auch außerhalb der Hochschulen üblich. In den USA und etlichen anderen Ländern nehmen viele Menschen ein Sabbatical, um auf Reisen zu gehen oder ein soziales Projekt zu unterstützen. Australier und Japaner nutzen diesen Zeitraum oft und gern, kanadische Gesetze erlauben die bezahlte Freistellung von Mitarbeitern, die mehr als fünf Jahre ununterbrochen in einem Unternehmen gearbeitet haben.
Sabbatical in Deutschland
In Deutschland existiert kein Rechtsanspruch auf ein Sabbatjahr. Die große Ausnahme bilden Lehrer und Hochschullehrer, Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst. Professoren an Universitäten oder anderen Hochschuleinrichtungen können traditionell Freisemester für ihre Forschungen nehmen. Für Beamte ist es ebenfalls nicht allzu kompliziert, ein Sabbatical einzulegen. Sie müssen einen Antrag bei ihrem Arbeitgeber stellen, der sie dann entsprechend den geltenden Regeln freistellt.
Und auch in der freien Wirtschaft setzt sich die Institution des Sabbatjahres immer mehr durch. Die Rahmenbedingungen schaffen mehrere Gesetze, die flexible Arbeitszeitregelungen erlauben. Seit 1998 ist das Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung von flexiblen Arbeitszeiten in Kraft. Teilzeitarbeit und befristete Verträge fallen unter ein 2001 verabschiedetes Gesetz.
Allerdings müssen Arbeitgeber den Wunsch nach einem Sabbatjahr nicht ohne Weiteres erfüllen. Wenn betriebliche Gründe dagegensprechen, kann das Anliegen auch abgelehnt werden. Die Realisierung wird dann schwierig und ist größtenteils nur über Teilzeitarbeit, längere Beurlaubung oder eine Reduzierung der Arbeitszeit möglich.
In jedem Fall müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Rahmenbedingungen für eine Auszeit miteinander aushandeln. Das wiederum erfordert eine längere Vorbereitungszeit. In der füllt der Arbeitnehmer seine Gehalts- oder Zeitkonten für die kommende Auszeit auf. Zugleich sucht der Arbeitgeber nach Lösungen, mit denen er den Ausfall ausgleicht. Das ist in der Regel für größere Unternehmen leichter als für Mittelständler oder kleinere Firmen.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazinreihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Verschiedene Modelle
In der freien Wirtschaft gibt es verschiedene Modelle, mit denen ein Sabbatjahr realisiert werden kann.
- Unbezahlter Sonderurlaub: Arbeitnehmer nehmen einige Monate oder ein ganzes Jahr unbezahlten Urlaub. Der Arbeitsvertrag wird für die Dauer des Sonderurlaubs inaktiv. Allerdings gibt es bei diesem Modell einige gravierende Nachteile: Der Arbeitgeber zahlt in diesem Zeitraum nicht nur kein Gehalt, sondern auch keine Sozialversicherungsbeiträge. Freigestellte müssen also von ihren Ersparnissen nicht nur den Lebensunterhalt bestreiten, sondern auch selbst in die Sozialversicherung einzahlen.
- Langzeitarbeitskonto: Dieses Modell ist deutlich attraktiver. Hier sparen Arbeitnehmer nicht genommene Urlaubszeiten und Überstunden an, um sie dann für die Auszeit zu verwenden. Das Gehalt wird weitergezahlt. Außerdem bleibt man auch während der Abwesenheit kranken- und rentenversichert.
- Lohnverzicht durch Teilzeit: Nach diesem Modell arbeiten Angestellte weiterhin die vereinbarten 36 oder 40 Stunden pro Woche, erhalten aber nur Gehalt für 20 oder 30 Stunden. Den Rest sparen sie an und stellen so über zwei bis drei Jahre sicher, dass sie auch während des Sabbatjahres Gehalt beziehen. Auch ihre Kranken- und Sozialversicherungsbeiträge werden weitergezahlt.
- Kündigung: Natürlich kann man seinen Wunsch nach einer Auszeit auch verwirklichen, indem man kündigt. Und tatsächlich ändern sich manchmal auch die Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich auf ein Sabbatical geeinigt hatten.
Gerade das letztgenannte Modell ergibt sich bisweilen ganz von selbst. Es mag sein, dass sich die Marktbedingungen für das Unternehmen ändern und der ursprüngliche Job nicht mehr zur Verfügung steht. Aber auch für den Beschäftigten können sich während der Abwesenheit neue Perspektiven ergeben, etwa der Entschluss zur beruflichen Neuorientierung. Oder die Rückkehr in den Betrieb zeigt, dass sich die Verhältnisse dort für das eigene Empfinden zu stark verändert haben. Man sollte also immer Alternativen zur Rückkehr an den ursprünglichen Arbeitsplatz im Blick haben.
Sabbatical im öffentlichen Dienst
Für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst gelten die Regelungen des jeweiligen Arbeitgebers. Grundsätzlich gibt es hier zwischen einer vollen und einer halben Stelle viele Möglichkeiten. Man kann auf einer Zweidrittel- oder auch einer Neunzehntel-Stelle arbeiten und wird dementsprechend entlohnt. Möglich ist es auch, zwischen einem und zehn Jahren in Teilzeit zu arbeiten, damit während der Auszeit das volle Gehalt weitergezahlt wird. Auszeitwillige müssen ihren Antrag jedoch frühzeitig stellen. Für Bundesbedienstete gilt die Arbeitszeitverordnung des Bundes, auf der Ebene der Länder greift das jeweilige Landesrecht.
In Bayern greift hier der Artikel 80 des bayerischen Beamtengesetzes. Das Sabbatjahr liegt dabei am Ende eines Zeitraums von drei bis sieben Jahren, in denen der Beamte Arbeitszeit anspart. Nordrhein-Westfalen setzt auf drei- bis fünfjährige Modelle in Teilzeitjahren oder mit Freistellung. Außerdem stellt dieses Bundesland Arbeitende auch mehrfach frei. Berlin erlaubt durch Teilzeitarbeit eine Befreiung vom Dienst für bis zu einem Jahr.
Sachsen hat das Sabbatjahr nicht explizit geregelt, gestattet aber den Angestellten die üblichen Regelungen. In Sachsen gilt vor allem die zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausgehandelte Vereinbarung. In Hamburg regelt die Verordnung über Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten die Details eines Sabbaticals. Entweder bewilligt der Dienstherr eine Teilzeitbeschäftigung, oder man kann bei Kürzung der Bezüge über einen bestimmten Zeitraum weniger arbeiten. Im Sabbatjahr werden dann die Teilzeitbezüge weitergezahlt.
Was beide Seiten abklären müssen
- Wie lange soll das Sabbatical dauern?
- Wann soll es beginnen?
- Falls es ein Zeitkonto gibt: Wie wird es gefüllt?
- Werden Krankheitstage angerechnet oder ausgeschlossen?
- Bleibt der Kündigungsschutz während der Abwesenheit bestehen?
- Wie soll der Wiedereinstieg funktionieren?
- Was geschieht, wenn der Arbeitgeber im Laufe des Sabbaticals insolvent geht? Gibt es eine Insolvenzversicherung?
Sabbaticals aus Arbeitnehmersicht
Die Vorteile für Arbeitnehmer liegen auf der Hand:
- Sie können Erfahrungen außerhalb der beruflichen Sphäre sammeln und ihren Horizont erweitern.
- Viele nutzen ihr Sabbatjahr auch, um berufliche Kompetenzen zu erweitern.
- Sie können einen Lebenstraum realisieren, ohne dafür den Job kündigen zu müssen.
- Ein Sabbatical erlaubt eine bessere Regeneration und Erholung als ein klassischer Urlaub.
Diesen Vorteilen stehen aber auch eine Reihe von Nachteilen gegenüber:
- Man muss mit Verdiensteinbußen rechnen.
- Kollegen müssen Aufgaben der Abwesenden übernehmen und könnten verstimmt reagieren.
- Es kann sein, dass sich während der Auszeit die Aufgabenverteilung ändert, sodass man bei der Rückkehr ein verändertes Arbeitsumfeld vorfindet. Das kann die Einarbeitung nach der Rückkehr erschweren.
- Wer Zeit für die Abwesenheit auf einem Arbeitszeitkonto anspart, läuft Gefahr, sich durch zu viele Überstunden zu verausgaben. Dann kann es besser sein, weniger zu arbeiten und die Gehaltsdifferenz zur Vollzeitstelle anzusparen.
Sabbaticals aus Arbeitgebersicht
Die Vorteile aus der Warte des Arbeitgebers ähneln durchaus denen der Beschäftigten. Für Mitarbeiter, die stark engagiert sind, kann ein Sabbatical vorzeitiger Erschöpfung (Stichwort: Burnout) entgegenwirken. Wer aus dem Sabbatjahr zurückkehrt, trägt oft neue Ideen und Impulse ins Unternehmen. Ein Sabbatical kann die Loyalität zum Unternehmen verstärken, denn immerhin hat der Arbeitgeber es ermöglicht, dass man seinen Lebenstraum verwirklichen konnte. Und eine Auszeit verhindert Doppelbelastungen, etwa dann, wenn ein Beschäftigter sie nutzt, um sich um Kinder zu kümmern oder erkrankte Familienangehörige zu pflegen.
Die Nachteile: Für die Dauer der Abwesenheit entsteht eine Lücke. Entweder muss die Arbeit von Kollegen übernommen werden, oder für die Dauer des Sabbaticals muss befristet Ersatz eingestellt und eingearbeitet werden. Wenn das Sabbatical eine Ausnahme darstellt, kann es in der Belegschaft zu Neid oder Verstimmungen führen.
Die Auszeit nehm ich mir
Es hängt letztlich davon ab, wo und wie man arbeitet, um einzuschätzen, ob die Vor- oder Nachteile eines Sabbaticals überwiegen. Und manchmal genügt auch schon die Beschäftigung mit dem Thema, um ein anderes als das seit Jahren durchgezogene Arbeitszeitmodell zu finden. Denn jede Zeit ist kostbar.
Friedrich List ist Journalist und Buchautor in Hamburg. Seit Anfang des Jahrhunderts schreibt er über Themen aus Computerwelt und IT, aber auch aus Forschung, Fliegerei und Raumfahrt, u.a. für Heise-Print- und Online-Publikationen. Für ihn ist SEO genauso interessant wie Alexander Gersts nächster Flug zur Internationalen Raumstation. Außerdem erzählt er auch gerne Geschichten aus seiner Heimatstadt.