Unternehmungslust contra Bewährungsauflagen
Von Sabine Wagner
Vorab zur Klarstellung: Niemand ist davor gefeit, von einem Strafgericht verurteilt zu werden. Das gilt auch und gerade für Geschäftsleute. Die gute Nachricht: Das Strafrecht sieht in zahlreichen Fällen das Modell der Bewährung vor, sodass man nicht unbedingt hinter Gitter muss und sein Geschäft fortführen kann. Und selbst bei Haftantritt bleibt immer noch die Möglichkeit des Freigangs. Die schlechte Nachricht: Je nach Bundesland klappt dies nur in Ausnahmefällen.
§ 56 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) in Verbindung mit Abs. 3 sieht bei einem Strafmaß bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe zwingend vor, dass die Strafe auf Bewährung ausgesetzt wird. In diesen Fällen geht man immer davon aus, dass die Sozialprognose positiv ist. Bei einem Strafmaß von sechs bis zwölf Monaten wird die Strafe auf Bewährung ausgesetzt, sofern die Sozialprognose im konkreten Einzelfall positiv ist und die „Verteidigung der Rechtsordnung“ eine Bestrafung nicht gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB). Bei einem Strafmaß über zwölf Monaten bis zu zwei Jahren kommt die Aussetzung auf Bewährung nur in Betracht, wenn besondere Umstände im konkreten Einzelfall hinzukommen, die sie rechtfertigen.
Die Bewährungszeit beträgt in der Regel zwei bis fünf Jahre. Gegebenenfalls wird dem Verurteilten ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt, und in jedem Fall hat er diverse Auflagen zu erfüllen, wie z.B. die Meldung jedes Wohnsitzwechsels, die Verpflichtung zur Schadenswiedergutmachung sowie die Ableistung einer festgelegten Anzahl von Sozialstunden.
Das folgende anonymisierte Beispiel hat sich tatsächlich zugetragen und berichtet von einem meiner Mandanten. Es zeigt, wie schwierig bis chancenlos es in Bayern ist, sein Geschäft während der Vollstreckung der Freiheitsstrafe fortzuführen.
Bewährung verwirkt
Im konkreten Fall wurde die Strafaussetzung auf Bewährung widerrufen, weil mein Mandant seine Sozialstunden aufgrund seines freiberuflichen Engagements nicht ableisten konnte. Mein Mandant baute als junger Mensch gerade ausgesprochen erfolgreich seine Selbstständigkeit auf und arbeitete Tag und Nacht. In der Bewährungszeit zog er mehrmals um, sodass die ursprüngliche Bewährungshelferin nicht mehr für ihn zuständig war. Mein Mandant war zudem nicht jedes Mal seiner Meldepflicht nachgekommen.
Teil 1 beginnt mit einem Realbeispiel und einem dummerweise versäumten Haftantritt. Teil 2 schildert den weiteren Verlauf und sagt, was in solchen Fällen in vorletzter Sekunde noch zu tun bleibt.
Gerade dieser letzte Punkt sollte ihm gleich mehrfach das Genick brechen: Zum einen gelangte deshalb der Widerruf der Strafaussetzung nicht an die gerade aktuelle Anschrift meines Mandanten, was wiederum zur Folge hatte, dass die Rechtsmittelfrist gegen den Widerruf ungenutzt verstrich. Ferner hatte er deshalb zwei Auflagen nicht eingehalten.
Als der Mandant zu mir kam, hätte er theoretisch schon seit zwei Wochen seine Haftstrafe antreten müssen. Im Alleingang hatte er zuvor noch versucht, den Zeitpunkt des Haftantritts um mehrere Monate zu verschieben, um Vorkehrungen für die Zeit seiner Abwesenheit treffen zu können. Dieser Antrag war abgelehnt worden.
Verschiebung des Haftantritts abgelehnt
In einem der Formblätter, die meinem Mandanten mit dem Widerruf mitgeschickt worden waren, war auf die Möglichkeit des Freigangs hingewiesen worden. Bei diesem Modus tritt der Verurteilte seine Haftstrafe zwar an, darf aber als Freigänger seiner Arbeit außerhalb der Vollzugsanstalt nachgehen. Das heißt: Er verlässt am Morgen die Vollzugsanstalt und kehrt nach Feierabend dorthin zurück. Die Möglichkeit des Freigangs gibt es bei kurzen Freiheitsstrafen (bis zu einem Jahr und in Ausnahmefällen bei Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren). Gemäß diesem Formblatt von Baden-Württemberg steht diese Möglichkeit des Freigangs nicht nur Arbeitnehmern offen, sondern auch Selbstständigen. So weit die Theorie.
Obgleich im Formblatt ausdrücklich steht, dass die Möglichkeit besteht, einen Antrag auf Freigang zu stellen und dann „sofort“ tagsüber sowie an manchen Wochenenden Freigang zu erlangen, sieht die Realität zumindest in Bayern ganz anders aus.
- Davon, welches gewichtige Wort die Vollzugsanstalt dabei mitzureden hat, berichtet Teil 2 dieser Serie.