Versuchter Einbruch im Livestream
Von Dirk Bongardt
Ein Einbruch in die eigenen vier Wände ist oft ein traumatisches Ereignis. Wer erleben musste, dass sich Kriminelle Zutritt zu seinem bis dahin als sichere Burg empfundenen Zuhause verschafft haben, fühlt sich danach dort oft überhaupt nicht mehr sicher.
Allerdings ist die Zahl der Einbruchdiebstähle seit Jahren rückläufig. Insbesondere in den Pandemiejahren 2020 und 2021 ist die Zahl der polizeilich erfassten Einbrüche auf historische Tiefstände gesunken: 2021 musste die Polizei sich mit 54.236 Wohnungseinbrüchen beschäftigen – im Jahr 2015 waren es noch mehr als dreimal so viele gewesen, nämlich 167.136.
Kriminelle-Energie-Erhaltungssatz
Corona und die damit verbundenen Appelle und Anordnungen, zu Hause zu bleiben, haben sicher ihren Teil zu diesem Rückgang beigetragen. Doch der Abwärtstrend war schon in den Jahren davor zu beobachten, nicht zuletzt die zunehmende Ausstattung von Häusern und Wohnungen mit Smart-Home-Lösungen dürfte zu den Ursachen gehören.
Erstens sind vernetzte Sicherheitslösungen in Smart-Home-Systemen oft deutlich preisgünstiger als die Alarmsysteme vergangener Tage. Zweitens müssen Einbrecher damit rechnen, dass Kameras sie bei ihren Taten beobachten und live auf die Smartphones der Eigentümer streamen, selbst wenn diese gerade auf den Malediven weilen. Drittens haben Einbrecher kaum eine Chance, die digitalen Beweise zu zerstören, da diese sicher in die Cloud übertragen werden. Damit hat sich das Risiko-Nutzen-Verhältnis für Kriminelle in den letzten Jahren drastisch verschlechtert.
Aufgegeben haben die Diebe ihr schmutziges Handwerk indes nicht: Auch 2021 knackten sie Tag für Tag ja knapp 150 Wohnungen und Häuser. Sensoren sind eben nur gute Beobachter. Aktiv eingreifen müssen andere.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer c’t-Sonderstrecke „Smart Home Special“. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Vernetzte Smart-Home-Sicherheit
Der digitale Türspion, der aufs Handy portiert, gehörte zu den ersten Use Cases von Smart-Home-Sicherheitstechnologie. Mittlerweile umfassen schon die Starterpakete Öffnungs- und Bewegungsmelder, Wasser- und Rauchmelder, Hygrometer, Kamera, Lichtsteuerung, Smart Locks etc. Damit die Sensorik nicht selbst zum Einfallstor wird, ist obendrein ein VPN ratsam.
Dass Öffnungs- und Bewegungsmelder Alarm schlagen, wenn sich jemand unerlaubt Zutritt verschafft, gehört zum Standard. In den Paketen der Smart-Home-Hersteller finden sich aber auch Wasser- und Rauchmelder, die bei Lecks und Schwelbränden Alarm schlagen. Auch Hygrometer können ihren Teil zur Sicherheit beitragen: Sie messen den Feuchtigkeitsgehalt in der Luft und können bei drohendem Schimmelbefall alarmieren – etwa bei Rohrbrüchen alarmieren oder wenn die automatische Fenstersteuerung versagt und der Wintergarten zur Dampfsauna wird.
In der Werbung der Hersteller nehmen vor allem smarte Kameras einen wichtigen Platz ein: Eigentümer erfahren damit aus der Distanz, ob der Paketbote eine Lieferung im Carport abgelegt hat und was Katz und Hund so treiben, wenn sie allein im Haus sind. Über die smarte Lichtsteuerung wiederum lässt sich Anwesenheit simulieren. Davon lassen sich Einbrecher zwar nicht immer täuschen, es erhöht aber deren Beobachtungsaufwand deutlich. Smarte Türschlösser können über das Smartphone verriegelt und entriegelt werden und bieten so zusätzliche Sicherheit. Allerdings birgt diese Technologie auch Risiken: Über ein gestohlenes und erfolgreich entriegeltes Smartphone öffnen sich Dieben eventuell Tür und Tor – im wahrsten Sinne des Wortes.
Nicht alles, was geht, ist auch erlaubt
Zu Systemen der Smart-Home-Security gehören fast immer auch Kameras. Deren Nutzen ist unbestritten, etwa wenn es darum geht, wer vor der Tür steht oder um Videobeweise bei einem Einbruch zu sichern. Rechtlich kann der Einsatz von Kameras aber problematisch sein. So warnt die Verbraucherzentrale unter Hinweis auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht: „Private Überwachungskameras gehören nur auf das eigene Grundstück. Sie dürfen damit in der Regel weder Nachbarn noch Passanten auf öffentlichen Wegen filmen.“
Nur bei einem konkreten, schwerwiegenden Anlass dürfen Kameras auch Bereiche außerhalb des eigenen Grundstücks aufzeichnen, etwa dann, wenn es bereits mehrfach zu Einbrüchen gekommen ist. Aber auch in diesen Fällen ist, neben den allgemeinen Persönlichkeitsrechten, die Datenschutz-Grundverordnung zu beachten. Und die verlangt u.a., dass zur Abwehr von Gefahren jeweils das mildeste Mittel zum Einsatz kommt.
Der digitale Türspion
Der digitale Türspion ist bereits ein Klassiker. Die Auswahl an Modellen ist üppig. Die einfachsten Varianten sind digitale Pendants der guten alten Gucklöcher: An der Außenseite der Tür, meist auf Kopfhöhe eines Erwachsenen, ist eine Kamera angebracht, an der Innenseite hängt ein Display, auf dem man sehen kann, wer vor der Tür steht. Solche Modelle sind schon für weniger als 100 Euro zu bekommen – bei fraglichem Nutzen: Die Bewohner sparen sich lediglich den eventuell verräterischen Blick durchs Guckloch, müssen sich, wenn es klingelt, aber dennoch auf den Weg zur Tür machen.
Modelle mit größerem Leistungsumfang übertragen das Kamerabild des Türspions per WLAN (oder über eine andere Funktechnologie) auf einen frei in der Wohnung platzierbaren Monitor oder gleich aufs Smartphone und können die Aufzeichnungen gegebenenfalls in die Cloud speichern und/oder weltweit streamen.
Zu den bekanntesten und leistungsstärksten dieser digitalen Türspione gehören die Türklingelkameras von Ring aus dem Hause Amazon. Sie bieten Fernzugriff per Smartphone-App und lassen sich u.a. auch mit Alexa verbinden, was eine Reihe interessanter Möglichkeiten eröffnet. Allerdings hat Ring in der Vergangenheit nicht nur gute Presse bekommen: „Angestellte von Amazon-Tochter schauten Videos aus privaten Überwachungskameras“, titelte etwa Netzpolitik.de im Jahr 2020 und warf damit ein Schlaglicht auf die Problematik der Cloud-Speicherung von Aufzeichnungen.
Rauch- und Wassermelder
Rauchmelder sind in vielen Bundesländern verbindlich vorgeschrieben. Smart sein müssen sie aus Sicht des Gesetzgebers nicht. Aber: Rauchmelder ins Smart-Home-System zu integrieren, hat – bei relativ geringen Kosten – einige Vorteile. So weckt ein vernetzter Rauchmelder auch die Bewohner im Schlafzimmer, wenn das Gerät in der Küche ein schmorendes Kabel entdeckt hat. Und wer auf halbem Weg ans Urlaubsziel plötzlich zweifelt, ob das Bügeleisen wirklich ausgeschaltet ist, kann sich mit einem Blick aufs Handy Gewissheit verschaffen: kein Rauch, kein Brand – gute Reise weiterhin.
Außerdem sind Rauchmelder berühmt-berüchtigt für ihren penetranten Alarmton. Deshalb integrieren einige Smart-Security-Systeme Rauchmelder als universelle Sirenen. Bei den günstigeren Sicherheitssystemen von Bosch etwa schlagen vernetzte Rauchmelder Alarm, wenn andere Sensoren Einbrecher erkannt haben, die gerade das Fenster aufhebeln.
Die Smart Home Eyes Innenkamera II von Bosch (auf dem Fensterbrett) erkennt per Videoanalyse Personenbewegungen und schlägt lautstark Alarm, zugleich geht eine Push-Nachricht mit Live-Videostreaming ans Smartphone der Wohnungsbesitzer. Der Kamerakopf lässt sich per Fingertipp diskret versenken. (Bild: Robert Bosch Smart Home)
Weniger verbreitet, aber kaum weniger nützlich als Rauchmelder sind Wassermelder. Wenn der Schlauch der Waschmaschine einen Riss bekommt, bleibt das oft unbemerkt, bis ein ernster Schaden eingetreten ist. Ein in der Waschküche platzierter Wassersensor kann frühzeitig Alarm schlagen, und über intelligente Vernetzung kann das Smart-Home-System in solchen Fällen überdies die Geräte sofort vom Stromnetz nehmen. Auch Wassermelder können per App Fernalarm auslösen. Wer gerade nicht zu Hause ist, wenn in der Wohnung etwas über die Ufer tritt, kann dann eventuell noch telefonisch Nachbarn um Hilfe bitten.
Individuell öffnen und schließen
Türschlösser gibt es in zahllosen Varianten: Stimmgesteuert, per Fingerabdruck oder über eine mobile App geben Smart Locks den Weg frei oder halten ihn versperrt. Allerdings sorgen nicht alle Modelle für mehr Sicherheit: Im Prinzip handelt es sich um kleine Computer, die über Bluetooth oder einen anderen Funkstandard angesprochen werden können. Kriminelle könnten das Smartphone hacken oder sie könnten die IoT-Plattform kompromittieren; hinzu kommen weitere, zum Teil gravierende Sicherheitslücken, die Sicherheitsforscher in den letzten Jahren entdeckt haben.
Die smarten Schlösser und Zutrittslösungen des europäischen Marktführers Nuki aus Österreich lassen sich relativ einfach nachrüsten und sind von Haus aus auf Integration in diverse Smart-Home-Plattformen ausgelegt. (Bild: Nuki Home Solutions)
Wie hoch das Risiko ist, hängt aber vor allem davon ab, ob dem Türschloss von außen anzusehen ist, dass es sich um ein Smartschloss handelt, und, wenn ja, um welches. Einbrecher versuchen sich schon seit Jahrzehnten nur noch in Ausnahmefällen an den Türschlössern. Der zeitliche und technische Aufwand ist, verglichen mit dem Einstieg über ein Fenster, einfach zu hoch. Deswegen überwiegen in der Regel die Vorteile von Smart Locks. Sie können die Tür z.B. automatisch öffnen, wenn sie registrieren, dass Berechtigte unmittelbar vor der Tür stehen. Digitale Schlüssel lassen sich oft via App an Dritte weiterleiten und später wieder deaktivieren – etwa, wenn die Nachbarn im Urlaub nach dem Rechten sehen sollen, danach aber keinen freien Zugang mehr erhalten sollen.
Smart Locks gibt es in unterschiedlichen Ausführungen. Sie ersetzen entweder den klassischen Türzylinder komplett oder werden direkt auf diesen montiert. Der Vorteil hierbei: Von außen ist das digitale Schloss nicht zu erkennen, und im Notfall kann man die Tür immer noch mit einem herkömmlichen Schlüssel öffnen – sofern der Zylinder von beiden Seiten abschließbar ist.
Smart-Home-Sicherheit verschlüsseln
Vernetzte Sicherheit ist erschwinglich geworden. Sensoren an Türen und Fenstern machen Einbrechern das Leben schwer, im Ernstfall laden Kameras die Fahndungsfotos direkt in die Cloud, Rauch- und Wasserdetektoren warnen, bevor Elementarschäden elementar werden, und wer seinen Schlüsselbund nicht immer mitschleppen möchte, kann seine Türen biometrisch öffnen lassen.
Dennoch: Smart-Home-Security fordert im Vorfeld einiges an konzeptioneller Denkarbeit. Und die Sicherheit hängt am Ende davon ab, ob Dritte sich Zugang zur Konfiguration des Systems verschaffen können. Es gibt bereits zuverlässige und einfach umzusetzende Sicherheitsmaßnahmen, um derartige Angriffe abzuwehren. Eine der effektivsten Lösungen ist ein VPN-Router, der den Datenverkehr verschlüsselt durch einen geschützten Tunnel schickt. Damit werden alle angeschlossenen Geräte im WLAN geschützt, ohne dass jede einzelne Anwendung separat abgesichert werden muss.
Dirk Bongardt hat vor Beginn seiner journalistischen Laufbahn zehn Jahre Erfahrung in verschiedenen Funktionen in Vertriebsabteilungen industrieller und mittelständischer Unternehmen gesammelt. Seit 2000 arbeitet er als freier Autor. Sein thematischer Schwerpunkt liegt auf praxisnahen Informationen rund um Gegenwarts- und Zukunftstechnologien, vorwiegend in den Bereichen Mobile und IT.
Dirk Bongardt, Tel.: 05262-6400216, mail@dirk-bongardt.de, netknowhow.de