Mehr Schwarmintelligenz
Von Michael Praschma
Ältere Herren mit rauchender Pfeife unter einem verschleierten Strohhut in weißer Montur neben einem traditionellen Strohbienenkorb: Bei rund 1 Mio. Bienenvölkern in Deutschland ist das kaum noch Realität. Nur 1% der deutschen Imker arbeitet gewerblich. Dort und auch bei den übrigen breiten sich zunehmend technische Hilfen aus, bis hin zu IT-gestützten Tools, die vom Monitoring mit drahtlosen Funksensoren und Cloud-Plattform über praktische Apps bis zu beheizbaren Waben reichen. Smarte Bienenboxen gibt es bereits als fertige Komplettpakete.
Von der Ausbildung bis zum Honigglas
Die Digitalisierung der Imkerei ist schon kräftig fortgeschritten, wie eine erste Sammlung von willkürlichen Beispielen zeigt: Ein Onlinekurs mit abschließendem Test vermittelt Wissen für den Fachkundenachweis Honig. Die Landwirtschaftskammer NRW empfiehlt digitales Honig-Marketing. Bee Warned heißt ein Frühwarnsystem per Online-Monitoring für exotische Bienenschädlinge wie die Asiatische Hornisse. Eine Varroa-App identifiziert die Varroamilbe, die größte Gefahr für Bienenvölker, per Handyfoto. Technologie ist also für Imker keine Spielerei, sondern erleichtert die Arbeit für Freiwillige, von deren Bereitschaft die Produktion heimischen Honigs abhängt.
Der Markt für digitale Imkertools ist inzwischen recht dynamisch und breit gestreut. Bei Hard- und Software handelt es sich meist um Anwendungen aus dem IoT-Bereich (Internet of Things). Apps leisten etwa Aufzeichnung und Interpretation von Sensordaten – ob aus dem Bienenstock selbst oder zur Witterung. Im Bienenstock können das die Stärke des Volks, der Status der Königinnen und der Honigertrag sein. Die Anzahl angebotener Apps zu „Bienen“ und „Imker“ macht schon die Auswahl herausfordernd.
Wichtige Merkmale sind z.B. die Option der Offline-Nutzung bei abgelegenen Standorten; andererseits Cloud-Nutzung. Hinzu kommt die Erstellung digitaler bzw. ausdruckbarer Reports und Statistiken. Die Hardware umfasst etwa Gewichts-, Temperatur-, Feuchtigkeits- und auch Soundsensoren mit Warnfunktionen. Die Daten sind überwiegend für die Kontrolle der Bienengesundheit erheblich.
Lösungen zum Diebstahlschutz
Bienenstöcke werden nicht selten gestohlen. Ihr Geldwert hängt von mehreren Faktoren ab, aber ein mittlerer dreistelliger Betrag wird oft genannt. Eine knappe Viertelmillion zahlte die Imkerversicherung 2020 für 338 Diebstahlschäden. Die Täter findet man nicht. Abhilfe könnte ein smarter Bienenstock mit dem Produkt GigaBeeProtect schaffen. Das Gerät enthält einen batteriebetriebenen Tracker, der bei Bewegung den Standort des Bienenstocks sendet. Worauf Laien auch nicht gleich kommen: Das Diebstahlwarngerät ist schnell nutzlos, wenn die Übeltäter es außerhalb des Stocks finden können. Also in den Stock damit! Dort muss es allerdings bis zum Ernstfall im Standby-Modus bleiben, weil Funksignale wiederum die Bienen irritieren würden.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Heise-Themenspecial „Smart Home, Outdoor, Garten“. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Heften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Die erwähnten Sound-Sensoren wiederum machen sich zunutze, dass Bienen nicht nur einfach irgendwie summen, sondern damit auch einiges signalisieren. Je nach Frequenz kann es sein, dass die Flügelbewegungen ähnlich einem Ventilator der Temperaturregelung dienen; das Summen gibt aber auch über die Stockaktivität Aufschluss. Vibrationen von innen oder außen kündigen unter Umständen auch ein Schwärmen des Volks an.
Kameras in Verbindung mit intelligenten Bilderkennungsprogrammen liefern in Echtzeit Erkenntnisse über Flugbewegungen – etwa auch darüber, ob Bienen in erheblichem Ausmaß nicht zum Stock zurückkehren, außerdem über die Beschaffenheit der eingetragenen Pollen, bis hin zum eventuellen Auftreten von Fressfeinden.
Bekämpfung der Varroamilbe
Gegen die Varroamilbe wurden bisher meist synthetische oder natürliche Chemikalien eingesetzt, die allerdings auch für die Bienen nicht ungefährlich sein können. Sie dürfen außerdem nur außerhalb der Zeiten der Honigproduktion verwendet werden, damit sie nicht in den Honig gelangen.
Die Vatorex AG aus Winterthur hat ein chemiefreies System entwickelt, das der Varroamilbe drei Stunden lang auf 42 °C einheizt. (Bild: Vatorex AG)
Die Lösung heißt: Wärme. Bei einer Temperatur von 42 °C über zwei bis drei Stunden sterben die Varroamilben ab. Die Bienen ertragen das. Die Wärmequellen müssen dabei so platziert werden, dass sie ganz überwiegend auf die Milben einwirken, ohne die Bienen zu stressen, die sonst versuchen würden, den Stock auf Normaltemperatur herunterzukühlen. Auch hier ist digitale Technologie für die Steuerung im Spiel.
Diese und eine Reihe weiterer Lösungen à la „Bienenstock 4.0“ entwickeln sich schnell weiter. Das geschieht auch mithilfe erheblicher Förderungen der Europäischen Union, z.B. für das Projekt Beewise, das für die Entwicklung komplett „autonomer“ Stöcke über 2,2 Milliarden Euro erhielt.
Michael Praschma ist Texter, Lektor und Redakteur. Er beherrscht so unterschiedliche Gattungen wie Werbetext, Direct Marketing, Claims, Webtext, Ghostwriting, Manuals oder PR. Außerdem treibt er sich – schreibend und anderweitig engagiert – in Journalistik, Non-profit-Organisationen und Kulturwesen herum. Seine Kunden kommen aus verschiedensten Branchen. Am MittelstandsWiki schätzt er die Möglichkeit, mit eigenen Recherchen auf den Punkt zu bringen, was Verantwortliche in Unternehmen interessiert. → https://praschma.com/