Datenübertragung mit Quantenmechanik
Von Ariane Rüdiger
Elektronen haben nicht nur ein Gewicht und eine Ladung, sie haben auch einen sogenannten Spin, eine Art inhärenter Drehrichtung. Der Spin wurde in den Anwendungen der Informationstechnik und Elektronik bislang ignoriert, weil man auf diesen Gebieten sozusagen technisch nichts damit anzufangen wusste. Das könnte sich nun aber ändern, und zwar bei einem neuen Ansatz der optischen Datenverarbeitung.
Denn die heutige optoelektronische Datenübertragung stößt immer weiter in Richtung der physischen Grenzen vor, die mit der Taktrate der Laser-Anregung zu tun hat. Sie lässt sich nicht mehr wesentlich beschleunigen. Zudem nimmt auf dem Weg zu den Grenzwerten der Energieverbrauch zu, es wird mehr Energie in Abwärme und weniger in Licht verwandelt.
Binärer Eigendrehimpuls
Hier könnte der Spin der Elektronen helfen. Dazu tragen drei seiner Eigenschaften bei: Erstens ändert sich der Spin von Elektronen sehr schnell, zweitens gibt es genau zwei Zustände (up und down), die er annimmt, was sehr gut zu den Nullen und Einsen digitaler Technologie passt. Und drittens „überträgt“ sich der Spin von Elektronen, wenn mit den betreffenden Elektronen ein Laser befeuert wird, auf die Polarisierung des erzeugten Lichtes.
Mit anderen Worten, so die Grundidee des neuen Technologiezweigs Spintronik: Wenn es gelänge, durch den Spin von Elektronen polarisiertes Licht gezielt zu erzeugen und die Polarisierung, die ja wie der Spin nur zwei Formen annehmen kann, auszulesen, hätte man eine Möglichkeit, die Nullen und Einsen der digitalen Zeichenströme darzustellen.
Schwarz auf Weiß
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Die Vorteile daran sind vor allem zweierlei: Erstens erfordert eine Änderung des Spins, der den Laser speist, kaum Energie – ein winziger Bruchteil eines Joules soll mithilfe der neuen Technologie ausreichen, ein Bit darzustellen. Dr.-Ing Nils Gerhardt, der sich am Lehrstuhl für Photonik und Terahertztechnologie der Ruhr-Universität Bochum mit entsprechenden Forschungen beschäftigt: „Die Energieübertragung könnte mit spintronischen Effekten um den Faktor 10 energieeffizienter und schneller werden.“ Genau das also, was bei den gegenwärtig steil ansteigenden Datenbergen erforderlich wäre.
Zirkular polarisiertes Licht
Dabei gilt es, eine weitere Besonderheit des entstehenden Lichtes zu beachten. Die Oszillation der Lichtwelle, die der Spin-Laser erzeugt, überlagert zwei orthogonal (senkrecht) zueinander stehende Felder, die jeweils einer Spin-Richtung entsprechen. Das Ergebnis ist ein zirkuläres Feld, das sich um eine Achse dreht. Ändert sich der Spin, ändert dieses Überlagerungsfeld seine Drehrichtung. Das ist technisch und mathematisch weit komplexer.
Die Polarisation beschreibt die Schwingungsrichtung einer Lichtwelle. Lineare Polarisation (rot, blau): Der Vektor, der das elektrische Feld der Lichtwelle beschreibt, schwingt konstant in derselben Ebene. Zirkulare Polarisation lässt sich darstellen als Überlagerung zweier orthogonal linear polarisierter Wellen. Die Spitze des elektrischen Feldvektors rotiert um die Ausbreitungsrichtung. Sind die Frequenzen der überlagerten Felder leicht unterschiedlich wie im gezeigten Beispiel, führt das zu oszillierender zirkularer Polarisation (schwarz). Der zirkulare Polarisationsgrad (grün) wird abhängig vom Frequenzunterschied moduliert. T ist die Periodendauer dieser Modulation. (Bild: Lehrstuhl Photonik und Terahertztechnologie, Ruhr-Universität-Bochum)
Wie sorgt man nun dafür, dass zwei Photonenströme entstehen, mit denen man technisch etwas anfangen kann? Hierfür werden zwei Mechanismen miteinander gekoppelt: Filterung einerseits und Doppelbrechung andererseits. Es ist bekannt, dass man das Entstehen der Elektronen unterschiedlicher Spins nicht unbedingt steuern kann (sie ändern ihren Spin sehr schnell von selbst), dass es aber sehr wohl möglich ist, zu steuern, wie Elektronen eines bestimmten Spins gezielt bis zum Laser vordringen – durch Filterung.
Wie die dafür genutzten Filter aussehen werden, ist noch nicht geklärt, hier stehen verschiedene Technologien zur Auswahl, und es muss weiter erforscht werden, welche das Zeug zur Nutzung unter Produktionsbedingungen außerhalb des Labors hätte. Zudem geht es darum, dafür zu sorgen, dass möglichst alle Elektronen des Elektronenstrahls ihre Energie verwenden, statt nutzlos zu verpuffen. Daran arbeiten mehrere Gruppen weltweit. Schließlich spielt bei solchen Entscheidungen neben der Praktikabilität stets auch die Bezahlbarkeit eine Rolle.
Spin-Laser mit integrierter Technik, um die Oszillationsfrequenz elektrisch zu steuern. (Bild: Kramer – Ruhr-Universität Bochum)
Modulation durch Doppelbrechung
Der zweite Effekt, die sogenannte Birefringenz oder Doppelbrechung, kommt im optischen Element des Lasers zum Einsatz. In Materialien, die diesen Effekt aufweisen, bewegt sich das Licht der einen Polarisation schneller fort als das der anderen. Das heißt: Es wirkt so, als wäre der Laser für das Licht der einen Polarisation länger als für das der anderen. Und das wiederum bedeutet, dass das ausgekoppelte Licht der einen Polarisierung eine um Winzigkeiten andere Wellenlänge hat als das der anderen. Ein Spin-Laser erzeugt deshalb bei der Spektralanalyse des ausgesandten Lichts zwei deutlich wahrnehmbare Wellenberge, die desto weiter auseinanderliegen, je größer die Doppelbrechung des Materials ist. Bisherige Oberflächenlaser (VCSEL) nutzen nur einen, den höheren.
Überlagert man nun die unterschiedlich polarisierten Lichtwellenfelder, entsteht ein Gesamtfeld, das seine Drehrichtung ständig ändert, und zwar in einer unglaublichen Geschwindigkeit. „Terahertz-Frequenzen sind so sehr wahrscheinlich möglich“, sagt Gerhardt. Je weiter die Frequenzen der Spitzen auseinanderliegen, desto schneller ändert sich auch die Polarisierung des Gesamtfeldes, die sich auslesen ließe. Jede Änderung könnte nachrichtentechnisch einem Wechsel von null zu eins und umgekehrt entsprechen und ließe sich am anderen Ende wieder elektronisch auslesen.
Im Bereich der Machbarkeit
Das klingt kompliziert und ist es auch. Die schon erwähnten Filtermechanismen und -materialien, die Auswahl von Materialien mit den richtigen Brechungsindizes und die Umsetzung in funktionsfähige Komponenten sind einige der Herausforderungen, die man jetzt angeht. Ein paar Jahre wird es also noch dauern, bis die neue Technologie zur Verfügung steht. Daran, dass sie prinzipiell möglich und umsetzbar ist, gibt es aber anscheinend kaum noch Zweifel.
Also werden sich wohl auch die gigantischen Datenströme der Zukunft mit erträglichem Energieaufwand und blitzschnell von A nach B transportieren lassen. Bis dahin muss es reichen, die heute leistungsfähigsten Glasfasern zu Faserbündeln zu koppeln und die Daten so schnell wie möglich darüber zu befördern.