Sinkende Werte ziehen das Feld auseinander
Von Christoph Witte, Wittcomm
2013 liegt der Business Performance Index (BPI) Fertigung Mittelstand D/A/CH zum ersten Mal in seinem dreijährigen Bestehen unter den Vorjahreswerten. Obwohl insgesamt gesehen alle Performance-Indikatoren leicht gesunken sind, konnten die Top-Unternehmen der Fertigungsindustrie noch einmal etwas zulegen. Die Kluft zwischen den Spitzenreitern und dem Durchschnitt wird damit größer. Eines haben aber (fast) alle gemeinsam: Der Begriff „Industrie 4.0“ sagt ihnen nichts.
„Ein Minus von 2,8 % auf 69,6 Punkte ist zwar deutlich sichtbar, aber kein Absturz“, erklärt Peter Burghardt, Managing Director des Kasseler Analystenhauses techconsult. Seine Vermutung: „Unternehmen sind im letzten Jahr bei vollen Auftragsbüchern an ihre Grenzen gestoßen und haben ihre bisher hohe Selbsteinschätzung der Prozessperformance nach unten korrigiert.“ Kritischer sei, dass die durchschnittliche BPI-Punktzahl von 69,6/100 unter dem Schwellenwert von 70,8 Punkten liegt, ab dem die Unternehmen in der Regel eine positive Gewinnentwicklung verzeichnen.
Für Henrik Groß, BPI-Projektleiter bei techconsult, deuten diese Daten an, „dass die mittelständischen Fertiger 2013 im Durchschnitt eine rückläufige Gewinnentwicklung verzeichnen.“ Bedenklich sei auch die größer werdende Distanz zwischen den Top 10 der Branche und dem Durchschnitt. Schon 2012 betrug der Abstand 24 Punkte – 2013 ist er auf 28 Punkte geklettert. „Wenn sich diese Entwicklung verstetigt, entkoppeln sich Top-Performer und Durchschnitt dauerhaft, sodass es zwischen den beiden Gruppen kaum noch Durchlässigkeit gibt.“
Insgesamt gesehen sind alle Performance-Indikatoren leicht gesunken, Doch die Top-Unternehmen der Fertigungsindustrie konnten noch mal etwas zulegen. Die Kluft zwischen Spitzenreitern und dem Durchschnitt wird damit größer. (Bild: techconsult)
IT-Organisationen punkten nur durchschnittlich
Auch in diesem Jahr liegt der BPI der diskreten Fertigung (Fahrzeugbau inklusive Zulieferer, E-Technik- und Hightech-Industrie, Metall erzeugung und -verarbeitung, Holz verarbeitung, Möbel, Maschinen- und Anlagen bau, Gummi- und Kunst stoff waren sowie sonstige) noch leicht vor jenem der Prozess fertigung (Chemie, Pharma-, Kosmetik- und Nahrungs mittel). Die diskrete Fertigung schneidet auch beim IT-Unter stützungs grad besser ab als die Unter nehmen der Prozess fertigung. In diesem Jahr konnten die Prozess fertiger jedoch außer beim Reife grad innovativer IT-Lösungen auch beim Unternehmens erfolg punkten.
Ein Novum beim BPI 2013 ist die Berücksichtigung der Prozesse der IT-Organisationen. Mit 69,7 Punkten landen diese in der gesamten Fertigungsindustrie nur auf dem sechsten Platz in der Rangfolge der insgesamt neun Unternehmensbereiche. Dazu Burghardt:
- „Der Mittelstand steht den Möglichkeiten der IT insgesamt skeptischer gegenüber als etwa Großunternehmen. Das schlägt sich hier nieder und setzt sich in der Beurteilung der IT-Unterstützung und dem Reifegrad der innovativen IT-Lösungen fort.“
Platz 1 der Unternehmensbereiche belegt das Qualitätsmanagement, gefolgt von Produktion, Finanzen/Controlling, Verkauf/Marketing und Materialwirtschaft/Einkauf. Schlechter als die IT-Organisationen schneiden die Unternehmensbereiche Produktentwicklung, Personalwesen und Service (als gewinnbringendes Geschäft und nur bei den Prozessfertigern) ab.
Jeder Mittelständler kann den BPI für sein Unternehmen als Benchmark-Werkzeug nutzen. Dazu muss man lediglich den Fragebogen unter www.business-performance-index.de ausfüllen. Die Antworten werden ausgewertet und zeigen, wo das Unternehmen im Vergleich zum unmittelbaren Wettbewerb (Branche, Subbranche, Größenklasse) steht. Damit lassen sich eigene Stärken und Schwächen analysieren. Die Unternehmensdaten bleiben selbstverständlich anonym.
Eingehende Einzeldarstellungen gibt es im MittelstandsWiki zu den folgenden Ausgaben:
- BPI Fertigung 2012
- BPI Dienstleistung 2012
- BPI Handel 2012
- BPI Gesamtbericht 2012
- BPI Fertigung 2013
- BPI Dienstleistung 2013
Weitere Informationen zum BPI insgesamt und zu den Einzelberichten BPI Fertigung, BPI-Dienstleistung und BPI-Handel findet man unter www.business-performance-index.de. Dort stehen alle Berichte auch zum kostenfreien Download bereit.
Industrie 4.0 geht am Mittelstand vorbei
Am stärksten fiel die Prozessperformance bei den mittelständischen Prozess- und Serienfertigern ab: um rund acht beziehungsweise neun Punkte im Vergleich zum Vorjahr. Dies sei u.a. auf die EU-Chemikalienverordnung REACH zurückzuführen. (Sie besagt, dass nur noch chemische Stoffe in Verkehr gebracht werden dürfen, die vorher registriert wurden.) Weil die meisten Übergangsregelungen im Juni 2013 auslaufen, habe sich das wahrscheinlich besonders bei den Prozessfertigern negativ auf den Prozess der Produktentwicklung ausgewirkt, weil sie die neuen weitreichenden gesetzlichen Bestimmungen in diesem Prozess berücksichtigen müssen.
Teil 1 stellt fest, dass sich die Spitze den Rest des Feldes abhängt. Was Industrie 4.0 bedeutet, weiß hier offenbar kaum jemand. Teil 2 hört sich an, was die Entscheider aktuell umtreibt. Die Ergebnisse hängen stark von der Unternehmensgröße ab. Teil 3 beobachtet besorgt, dass immer mehr Mobilgeräte immer seltener einem zentralen Device Management unterliegen. Aus der Cloud nutzt die Fertigung vor allem SaaS.
Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung: Nur 31,5 % der mittelständischen Fertiger wissen, was sich hinter dem Begriff Industrie 4.0 verbirgt. Obwohl Industrie 4.0 im Rahmen der Hightech-Strategie der Bundesregierung mit 200 Mio. Euro gefördert und von verschiedenen Industrieverbänden lautstark promotet wird, kennen ganze 68,5 % der mittelständischen Fertiger den Begriff nicht. (Industrie 4.0 meint die Bestrebungen, Maschinen, Produktionsanlagen, ERP-Systeme, Produkte usw. informationstechnologisch zu vernetzen.) In der diskreten Fertigung kennen 34 % den Begriff. Wie zu erwarten war, ist Industrie 4.0 bisher insbesondere in der Elektrotechnik- und Hightech-Industrie bekannt (47 %). Den Prozessfertigern ist der Begriff nur zu 22 % geläufig. Hier kann die Subbranche Nahrungsmittelindustrie mit 32 % damit noch am meisten anfangen. „Industrie 4.0 ist sicher ein wichtiges Zukunftsthema, aber offensichtlich im Mittelstand noch nicht ausreichend angekommen. Wir werden die Entwicklung in den weiteren Untersuchungen beobachten“, erklärt Peter Burghardt.
- Was die Fertigung am meisten beschäftigt – neue Technologien, steigende Kosten oder die eigene Wettbewerbsfähigkeit –, sagt Teil 2 dieser Serie.
Mit dem Business Performance Index Fertigung Mittelstand ermittelt das Analystenhaus techconsult vier Indizes in mittelständischen Fertigungsunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz: Prozessperformance (BPI), IT-Unterstützung, Reifegrad innovativer Lösungen sowie Unternehmenserfolg. Der BPI drückt aus, wie zufrieden die Studienteilnehmer mit der Realisierung relevanter Prozesse in ihren Unternehmen sind. Der IT-Unterstützungsgrad beziffert, wie gut die Befragten die IT-Unterstützung einzelner Prozesse bewerten. Mit dem Reifegrad innovativer IT-Lösungen untersuchen die Analysten, wie stark innovative IT-Lösungen in den Unternehmen eingesetzt werden und wie zufrieden die Befragten mit ihnen sind. Last, but not least wird mit dem Unternehmenserfolg bewertet, inwieweit die einzelnen Prozesse zum Unternehmenserfolg beitragen. Pro Index können höchstens 100 Punkte erreicht werden. An der Untersuchung 2013, die auf Selbsteinschätzungen von Geschäftsführern aus Unternehmen der diskreten Fertigung sowie aus Firmen der Prozessfertigung beruht, beteiligten sich insgesamt 900 Unternehmen. 390 komplett ausgefüllte Fragebögen flossen in die Auswertung ein.
Nützliche Links
Weitere Informationen finden Sie unter www.business-performance-index.de, wo es den Kurzbericht BPI-Kurzbericht Mittelstand Fertigung 2013 für Deutschland, Österreich und die Schweiz kostenfrei als PDF zum Herunterladen gibt.