Der mittelständische Handel zeigt Prozessdefizite
Von Christoph Witte, Wittcomm
Die Ergebnisse des Business Performance Index Mittelstand Handel 2012 des Kasseler Analystenhauses techconsult zeigen Schwächen in der Qualität der Kernprozesse des Groß- und Einzelhandels – mit Ausnahme des Großhandels mit Konsumgütern. Auch der Grad der IT-Unterstützung sowie der Reifegrad innovativer IT-Lösungen liegen im Vergleich mit anderen Branchen eher niedrig.
In der Langzeitstudie ermittelt techconsult vier Indizes in mittelständischen Groß- und Einzelhandelsunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH): Prozessqualität (BPI), IT-Unterstützung, Reifegrad innovativer Lösungen sowie Unternehmenserfolg.
Steigerung auf mittlerem Niveau
Zusammengefasst: Die Prozessqualität (BPI) in Groß- und Einzelhandel lässt weiterhin zu wünschen übrig. Der BPI-Index verbesserte sich im Jahresvergleich 2011 auf 2012 nur marginal um 0,5 % auf 64 Punkte. Dieser Wert drückt aus, welche Relevanz bestimmte Prozesse bei Business-Entscheidern besitzen und wie zufrieden sie mit ihrer Ausführung sind. Gefragt wurde dabei nach folgenden Prozessen: Einkauf, Finanzen/Controlling, Logistik, Marketing, Mehrwertdienstleistungen, Personalwesen, Verkauf.
Jeder Mittelständler kann den BPI für sein Unternehmen als Benchmark-Werkzeug nutzen. Dazu muss man lediglich den Fragebogen unter www.business-performance-index.de ausfüllen. Die Antworten werden ausgewertet und zeigen, wo das Unternehmen im Vergleich zum unmittelbaren Wettbewerb (Branche, Subbranche, Größenklasse) steht. Damit lassen sich eigene Stärken und Schwächen analysieren. Die Unternehmensdaten bleiben selbstverständlich anonym.
Eingehende Einzeldarstellungen gibt es im MittelstandsWiki zu den folgenden Ausgaben:
- BPI Fertigung 2012
- BPI Dienstleistung 2012
- BPI Handel 2012
- BPI Gesamtbericht 2012
- BPI Fertigung 2013
- BPI Dienstleistung 2013
Weitere Informationen zum BPI insgesamt und zu den Einzelberichten BPI Fertigung, BPI-Dienstleistung und BPI-Handel findet man unter www.business-performance-index.de. Dort stehen alle Berichte auch zum kostenfreien Download bereit.
Die drei anderen Indizes haben sich dagegen teilweise signifikant verbessert. So steigt der Grad der IT-Unterstützung – er verdeutlicht, wie stark die einzelnen Tätigkeiten im Unternehmen mit IT unterlegt sind – um 2,3 % auf 62,4 Punkte.
Die Qualität der Prozesse hat sich gegenüber dem Vorjahr laut BPI kaum verbessert. Die anderen drei Indizes bewegten sich dagegen teilweise deutlich. (Bild: techconsult)
Der Reifegrad innovativer IT-Lösungen, mit dem gemessen wird, wie zufrieden die Business-Entscheider mit modernen IT-Anwendungen in den Unternehmen sind, kletterte um knapp 7 % auf 60,8 Punkte. Der Prozess- bzw. Unternehmenserfolg schließlich steigt gegenüber der 2011er-Untersuchung um 2,8 auf 66,9 Punkte. Dieser Index veranschaulicht, in welche Richtung sich die gesetzten KPIs der einzelnen Prozesse entwickelt haben. In jedem Index können höchstens 100 Punkte erreicht werden.
Nachzügler im Branchenvergleich
Allerdings bewegen sich die vier Indizes im mittelständischen Handel im Vergleich zu den Branchen Fertigung und Dienstleistung, die ebenfalls von techconsult auf ihre Business Performance untersucht werden, auf einem niedrigeren Niveau. So weisen die mittelständischen Fertiger einen BPI von 72 Punkten und bei der IT-Unterstützung einen Wert von 67 auf. Die Dienstleister kommen beim BPI immerhin auf 69 Punkte und bei der IT-Unterstützung schneiden sie mit 66 Zählern ebenfalls besser ab als die Handelsbranche.
Teil 1 konstatiert eine Prozessqualität auf minderem bis mittlerem Niveau und zeigt signifikante Unterschiede in den Ergebnissen auf. Teil 2 fast die Resultate von IT-Unterstützung, Mobile Devices, SaaS und Prozess-Outsourcing zusammen. Teil 3 untersucht schließlich den Prozesserfolg näher und sieht nach, ob und wo die Verantwortlichen ihre gesteckten Kennzahlen erreichen.
Unterhalb des grünen Bereichs
Die Top-Performer liegen jedoch auch im Bereich Handel deutlich über dem Durchschnitt. Die Top Ten erreichen in der Regel um 40 % bessere Werte.
„Wenn man bedenkt, dass die Unternehmen erst über einem BPI von 60 Punkten eine positive Gewinnentwicklung aufweisen, werden zwei Dinge deutlich: Einerseits machen Unternehmen mit einem hohen BPI auch höhere Gewinne, anderseits benötigen mittelständische Händler bessere Prozesse für eine nachhaltig positive Entwicklung“, kommentiert Studienleiter Heiko Henkes, Analyst Manager bei techconsult. 75 Punkte hält Henkes für einen guten BPI-Durchschnittswert in den Kernprozessen. „Unternehmen, die in Richtung 75 BPI Punkte tendieren, können sich zumindest darauf verlassen, die bedeutenden Prozesse in den Unternehmensbereichen erkannt und adäquat umgesetzt zu haben – das gibt in Zeiten normaler Konjunkturentwicklung ein gewisses Maß an Sicherheit.“
Im Einzelhandel schneidet die Subbranche Non-Food noch am besten ab. (Bild: techconsult)
Doch davon ist der Handel weit entfernt. Genauso wie im vergangenen Jahr werden die Unterstützungsprozesse Finanzen/Controlling sowie das Personalwesen im BPI-Ranking des Handels teilweise deutlich besser bewertet als die Kernprozesse Einkauf, Verkauf, Marketing und Mehrwertdienstleistungen. Der Einkaufsprozess wurde mit 63,2 Punkten von den Befragten am niedrigsten eingestuft. Henkes erklärt das mit der unterschiedlichen Relevanz. „Der Einkauf ist im Handel das A und O. Hier entscheidet sich, wie hoch die Marge und damit der Verdienst ist. Ich denke, dass deshalb die Befragten enorm viel von diesem Prozess verlangen, mehr als er zurzeit offenbar zu leisten imstande ist.“
Konsumgüter und Non-Food beim BPI vorne
Von den untersuchten Großhandelssegmenten Konsumgüter, Rohstoffe und landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Maschinenhandel weist der Konsumgüterhandel (BPI 67,1) die qualitativ besten Prozesse aus. Doch auch dieses Segment erreicht in den Unterstützungsprozessen Finanzen/Controlling und Personalwesen mit 71,6 Punkten bzw. 70,6 Punkten bessere Werte als in den Kernprozessen Einkauf, Marketing und Verkauf. Wo die Konsumgüterhändler gut liegen, kommt der Großhandel mit Rohstoffen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen auf deutlich bescheidenere Werte. Sein Durchschnitts-BPI liegt bei nur 54,4 Punkten.
2011–2012: Fashion fällt zurück, Non-Food zieht nach vorne. (Bild: techconsult)
In den analysierten Einzelhandelssubbranchen Food, Non-Food, Fashion und Waren aller Art liegt der Non-Food-Bereich mit einem BPI von 68,5 Punkten am höchsten und die Fashion-Händler mit 61,7 BPI-Punkten am niedrigsten. Gerade dieser Wert hat im Jahresvergleich stark nachgelassen und 11 Punkte verloren. Ihre Werte verbessert haben dagegen die Segmente Non-Food und Waren aller Art. Leicht verloren hat außerdem der Lebensmittelhandel. Er fiel von 2011 auf 2012 um drei Punkte.
- In Teil 2 dieser Berichtsfolge zum Business Performance Mittelstand Handel 2012 geht es schwerpunktmäßig um die IT-Unterstützung und die Nutzung innovativer IT-Lösungen.
Nützliche Links
Weitere Informationen finden Sie unter www.business-performance-index.de, wo es den BPI-Kurzbericht Mittelstand Handel 2012 kostenfrei als PDF zum Herunterladen gibt.
Über den Handelsreport hinaus stehen für die mittelständische Fertigungsindustrie und die Dienstleistungsbranche ebenfalls Branchenberichte auf dem BPI-Internet-Portal zum Download bereit. Zur CeBIT 2013 erscheint außerdem ein Gesamtreport zum Business Performance Index, der die Leistungsfähigkeit mittelständischer Unternehmen über die Branchen Fertigung, Dienstleistung und Handel hinweg analysiert.
Neben den Branchenreports bietet techconsult Unternehmen ferner die Möglichkeit, sich selbst auf die genannten Leistungsindikatoren zu prüfen und die eigenen Ergebnisse mit ähnlichen Unternehmen aus der gleichen Branche zu vergleichen. Interessierte Unternehmer können über die BPI-Webseite direkt am Performance-Check teilnehmen.
Ziel dieser langfristig angelegten Studie, ist es, den Teilnehmern ein Werkzeug zur gezielten Geschäftsoptimierung an die Hand zu geben. Im individuellen Wettbewerbsvergleich sowohl für Unternehmens- bzw. Funktionsbereiche als auch auf Prozessebene wird der Status quo erfasst, es werden Stärken und Schwächen aufgedeckt und so schließlich Optimierungspotenziale identifizierbar.
Gesponsert wird die techconsult Studie von den Unternehmen SAP und marcom source; itelligence, TDS, INFO AG, cormeta, TRIAS, trovarit, Sycor und proaxia unterstützen ebenfalls. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft fördert die Untersuchung ideell.