Mittlere Unternehmen, große Entscheidungen
Von Henrik Groß, techconsult GmbH
Es ist bei Big Data wie bei fast jedem IT-Trend: Die Umsetzung wird an der Durchdringung entsprechender neuer Technologien und Lösungsansätze in Großunternehmen festgemacht. Das ist auch nicht überraschend, da die großen IT-Anbieter ihre direkten Kontakte über die Beratung und den Vertrieb ausschließlich in Großunternehmen haben und die internationalen Analystenhäuser nahezu ausschließlich Großunternehmen im Hinblick auf die Ausrichtung ihrer IT- und Business-Strategie beraten. Schließlich locken hier die Großprojekte.
Man hat Leuchtturmprojekte der Anbieter gezeigt, man hat den Nutzen deutlich gemacht, indem die Qualität der Geschäftsentscheidungen für Big-Data-und Analytics-Tools nachgewiesen wurde. Dass vor diesem Hintergrund Big Data und Analytics als ein Thema der Großunternehmen sichtbar wurde und zum Teil nur so verstanden wird, ist leicht nachvollziehbar
Solch eine Darstellung muss jedoch stets aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden: Einerseits können Großunternehmen zwar – wie vom Anbieter erhofft – aus solchen Fällen Potenziale ersehen und sich Gedanken über einen möglichen Transfer der Lösungsansätze auf das eigene Unternehmen machen. Andererseits führen diese Projektvorstellungen bei mittelständischen Unternehmen genau zum Gegenteil: Die Ablehnungsgründe reichen von der Überzeugung, dass die Prozesse der Großunternehmen nicht auf den Mittelstand übertragbar sind, bis hin zu der Feststellung, dass Big Data und Analytics kostenseitig generell nicht umsetzbar sind.
Sind also Big Data und Analytics tatsächlich nur ein Thema für Großunternehmen? Oder ist das nicht vielmehr gerade für den Mittelstand ein Kernthema der nächsten Jahre?
Der Mittelstand braucht Big Data
Der Mittelstand in Deutschland gilt mit seinen gut über 180.000 Unternehmen immer noch als der Motor der deutschen Wirtschaft. Die Unternehmen müssen sich aber mehr denn je dem internationalen Wettbewerb stellen. Vor diesem Hintergrund wachsen die Unternehmen nicht nur selbst in internationale Rollen hinein und müssen sich neuen Anforderungen anpassen, sondern sind darauf angewiesen, schneller als der wachsende Wettbewerb agieren zu können. Innovationen in der Produkt- und Serviceentwicklung sowie in den unternehmensrelevanten Kernprozessen sind Eckpfeiler der Überlebensfähigkeit mittelständischer Unternehmen. Die richtigen Entscheidungen müssen durch den zunehmenden Wettbewerbsdruck in immer kürzeren Zyklen getroffen werden.
Damit führt die Anwendung des Trial-and-Error-Prinzips im Mittelstand in der Regel zu großen wirtschaftlichen Problemen. Die schmalen Liquiditätsreserven des Mittelstands lassen keinen Spielraum für Versuche und machen den Einsatz entscheidungsoptimierender und -absichernder Lösungen fast noch notwendiger als in Großunternehmen.
Für heutige Business-Anforderungen ist es somit unabdingbar, dass ein Unternehmen Daten aus beliebigen internen und externen Quellen auch zielführend auswerten kann, um sie als Grundlage für nachhaltige Business-Entscheidungen nutzbar zu machen. Business Intelligence (BI) und Analytics sind daher als Kernthemen des modernen Business zu sehen, um Kauf-, Investitions-, Budget- und Personalentscheidungen oder Entscheidungen zur Produktentwicklung usw. abzusichern und zielgerichtet zu treffen. Dazu sind sowohl ausgefeilte Business-Intelligence- und Analysewerkzeuge sowie Business-Lösungen wie ERP oder CRM mit entsprechenden Funktionen nötig als auch eine Infrastruktur, die vielfältigen Anforderungen gerecht werden kann, z.B. hinsichtlich Sicherheit, Robustheit und Performanz.
Ein Hype trifft auf Vorsicht
Das Analysten- und Marktforschungshaus techconsult hat vor diesem Hintergrund eine erste Analyse im Mittelstand durchgeführt. Dabei wurden über 200 Unternehmen zum Big Data- und Analytics-Einsatz befragt. Auch sollten die sichtbaren Vorteile und möglichen Nachteile evaluiert werden.
Gemessen an der Einsatzquote scheint Big Data den Mittelstand bereits intensiv durchdrungen zu haben: In der Größenklasse der Unternehmen ab 200 Mitarbeitern gaben immerhin 40 % der Befragten an, bereits 2013 damit gearbeitet zu haben. Selbst in der Gruppe ab 100 Mitarbeitern ist es schon ein gutes Viertel. Auch zum Thema Business Analytics geben über 60 % der Unternehmen aus der Gruppe 100 bis 199 Mitarbeiter an, entsprechende Tools einzusetzen. Auch für die Zukunft scheint der Trend nicht abzureißen: In der Gruppe ab 100 Mitarbeitern plant fast jedes dritte Unternehmen, 2014 in Big-Data- und Business-Analytics-Projekte zu investieren.
Haben sich damit die Trends im Mittelstand bereits durchgesetzt? Es kommt auf die Sichtweise an. Der Mittelstand denkt hier durchaus ganzheitlich und sieht Chancen für das gesamte Unternehmen. Die befragten Unternehmen halten die Optimierung der Geschäftsabläufe über Big-Data-Technologie durchaus für relevant. Damit gehen nach Ansicht der Befragten auch ein Flexibilitätsgewinn und kürzere Reaktionszeiten einher. Die Qualität in der Absicherung der Entscheidungsprozesse durch entsprechende Technologien wird also durchaus vom Mittelstand wahrgenommen.
Ob dies so ganzheitlich umgesetzt wird, ist jedoch infrage zu stellen. Der von den Befragten bestätigte hohe Bedarf an geeignetem Personal, die Furcht vor mangelnder Datenkonsistenz und vor Datenschutzproblemen sowie die Aussage, dass der Big-Data-Hype zu überhöhten Erwartungen führt, zeigt, dass es sowohl an Know-how als auch am finalen Vertrauen in eine erfolgreiche Umsetzung fehlt.
Fazit: Unterstützung für die umfassende Umsetzung
Den aktuellen Erkenntnissen nach dürften Big-Data-Projekte im Mittelstand zurzeit eher in klar abgrenzbaren Analytics-Bereichen eingesetzt werden, die auf eigenen (internen) Datenbeständen aufbauen – damit also dem Gedanken einer ganzheitlichen Analyse aus unterschiedlichen internen wie externen Quellen nur bedingt entsprechen. Um Entscheidungsprozesse mittels BI und Analytics optimal zu unterstützen, wäre darüber hinaus eine integrierte Betrachtung nötig, von der Infrastrukturebene bis hinauf zur jeweiligen Lösung/Anwendung in den Geschäftsabläufen. Diese ganzheitliche Sichtweise ist bei Business-Entscheidern und Prozessverantwortlichen noch nicht präsent.
- Mit den Themen Big Data und Business-Analytics im Mittelstand will sich techconsult 2014 daher noch intensiv beschäftigen. Vor allem interessiert der Zusammenhang zwischen nachhaltigen und erfolgreichen Geschäftsentscheidungen und dem Einsatz entsprechender Technologien. Die Untersuchungen sollen sich daran messen lassen, wie weit sie Business- und IT-Verantwortlichen erste Anhaltpunkte für Optimierungspotenziale im eigenen Unternehmen geben können, wenn es um nachhaltige und umfassend betrachtete Big-Data- und Analytics-Strategien geht. Der Newsletter des MittelstandsWiki informiert Sie, sobald ein neuer Beitrag erscheint.