Es gibt viel zu tun
Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group
Die gesellschaftliche Struktur in Deutschland erlaubt eigentlich nur zwei Zustände im Arbeitsleben: Vollzeitaktivität oder Ruhestand. Teilzeittätigkeiten sind gerade noch erlaubte Zwischenformen. Und wie ist es bei älteren Führungskräften, die nicht mehr ihrem bisherigen Beruf nachgehen?
Erzwungener (Vor-)Ruhestand kann natürlich ganz unterschiedliche Gründe haben, vom – scheinbaren – Zwang zur Modernisierung und der fehlenden Bereitschaft, in die Qualifizierung älterer Mitarbeiter zu investieren, über Rationalisierungsmaßnahmen bis zur Nachfolge in mittelständischen Unternehmen (KMU).
Bei Rationalisierungsmaßnahmen werden in Deutschland immer noch bevorzugt ältere Mitarbeiter im Rahmen einer Vorruhestandsregelung abgebaut, da dies weniger Probleme mit Betriebsrat und Arbeitsagentur bringt. Die Kosten einer solchen Regelung sind überschaubar und Arbeitsgerichtsauseinandersetzungen eher die Ausnahme. Die Kehrseite dieser Vorgehensweise ist, dass das Unternehmen auf diesem Wege wichtige Kenntnisse und Erfahrungen verliert, die nicht so leicht zu ersetzen sind. Für den Mitarbeiter wird es trotz aller gut gemeinten politischen Aktionen ab einem Alter über 50 schwierig bis nahezu unmöglich, eine neue Anstellung zu finden. Ein nicht vorhandener Kündigungsschutz, größere Erfahrung und oft auch die Flexibilität der Mitarbeiter sind immer noch kein ausreichendes Argument.
Die Firma übergeben – und dann?
Ähnlich sieht es für den Unternehmer aus, der für sich entschieden hat, zur Absicherung des Unternehmens rechtzeitig einen Nachfolger zu suchen. Im Sinne der Risikoabsicherung ist das für das Unternehmen sinnvoll, und kein Unternehmer sollte zu lange warten, einen Nachfolger zu suchen und aufzubauen. Für den abgebenden Unternehmer bedeutet dies allerdings nicht nur die Aufgabe seiner bisherigen Tätigkeit, seiner Bezüge und in vielen Fällen seines Lebenswerkes sondern auch den „Abstieg“ vom anerkannten Mitglied der Gesellschaft zum „Ruheständler“ ohne besondere Bedeutung und ohne wichtige Aufgaben. Nicht zuletzt dieser Aspekt wird ein wichtiger Grund sein, warum viele Unternehmer den Zeitpunkt der Nachfolge so weit wie möglich hinauszögern und in nicht wenigen Fällen noch mit 80 weiter an der Spitze des Unternehmens stehen. Dass sie damit weder sich selber, noch dem Unternehmen wirklich einen Gefallen tun, steht in den meisten Fällen außer Frage.
Schwarz auf Weiß
Eine ausführliche Darstellung für den Mittelstand gibt Dr. Jürgen Kaack im Ratgeber „Unternehmensnachfolge erfolgreich planen. Wie man rechtzeitig den richtigen Nachfolger auswählt und die Firma ohne Schaden übergibt“. Das E-Book gibt es zum freien Download im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Bemerkenswert ist dabei, dass man vom Unternehmer allgemein erwartet oder zumindest akzeptiert, dass er bis ins hohe Alter tätig ist, während die Mehrheit der Arbeitnehmer nach einem frühen Ausstieg aus dem Arbeitsleben strebt. Die Einführung von Altersteilzeit ist in vielen Bereichen offenbar schwierig zu organisieren; für einen Unternehmer ist dieses Modell aber im Allgemeinen schlichtweg ungeeignet.
Der frühzeitige oder zumindest altersgemäß rechtzeitige Ausstieg fällt vielen Unternehmern schwer, obwohl sie eigentlich viel mehr Möglichkeiten zur freiwilligen Gestaltung seines Ausstiegs haben als die meisten angestellten Manager. Selbst Führungskräfte bei großen Konzernunternehmen werden bei Personalentscheidungen nicht selten von fremden Einflüssen gesteuert, z.B. von Investoren. Unabhängig davon, ob ein Ausstieg aus einer freien Entscheidung heraus oder durch fremde Einflüsse bedingt ist, so ist das Ergebnis in beiden Fällen das gleiche.
Aktive Neugestaltung statt Status quo
Ein Unternehmer ist eigentlich ein Menschentyp, der etwas bewegt und aufbaut. In manchen Ländern ist es „normal“, wenn ein Unternehmer ein Unternehmen aufbaut, zum Erfolg führt und dann verkauft, um mit dem Erlös wieder ein neues Vorhaben umzusetzen. Natürlich gibt es auch bei Unternehmern unterschiedliche Charaktere. Während der Eine eher neue Geschäftsmodelle umsetzt und Unternehmen aufbaut, ist der andere mehr der Bewahrer, der ein erfolgreich aufgebautes Unternehmen weiterführt. Ein anderer ist der Sanierer, der Unternehmen aus problematischen Phasen wieder zurück auf Erfolgskurs bringt.
Wenn man diese Unterschiedlichkeit in Stärken und Vorlieben akzeptiert, dann sollte auch ein Wechsel an der Spitze eines Unternehmens etwas Normales sein. Bei angestellten Managern ist das ja auch schon eher üblich; die Bestellung als Vorstandsmitglied ist nur mit begrenzter Laufzeit möglich, die maximale Dauer beträgt fünf Jahre. Nur im Mittelstand und insbesondere bei Familienunternehmen wird automatisch unterstellt, dass die Regeln andere sind. Ein mittelständischer Unternehmer hat dies in den Augen der Öffentlichkeit für alle Zeit zu sein.
Dies ist vermutlich der Grund, dass die Unternehmensnachfolge im Mittelstand immer noch ein Tabuthema ist. Ein in Maßen offenerer Umgang mit dem Thema würde manche Unternehmensnachfolgeprojekte erfolgreicher machen und vielleicht dazu beitragen, dass nicht Jahr für Jahr einige hundert Unternehmen aufgelöst werden und noch mehr insolvent werden. Aber auch in den Fällen, die ganz erfolgreich verlaufen, hätten ein aktiveres Angehen und eine offenere Kommunikation vielleicht zu einer noch besseren Lösung für das Unternehmen geführt.
Der Umgang mit einem anstehenden Unternehmensverkauf – aus welchen Gründen auch immer – ist selbst bei der Bereitschaft zur offenen Kommunikation immer ein sensibles Thema. Kunden, Lieferanten, Geschäftspartner und auch die eigene Belegschaft dürfen nicht verunsichert werden, da sonst das Geschäft Schaden nehmen könnte. Dem Management der internen und externen Kommunikation kommt also auf jeden Fall besondere Bedeutung zu.
Auch für den deutschen Mittelstand wäre es sicher von Vorteil, wenn der Verkauf des eigenen Unternehmens ebenso selbstverständlich würde wie der Wechsel des Arbeitsplatzes bei Arbeitnehmern. Somit könnten auch die Fähigkeiten und Vorlieben der Unternehmer sehr viel besser genutzt werden.
Persönliche Fortbildung und Studium
Eine interessante Möglichkeit der Beschäftigung nach der eigentlichen Karriere ist die Weiterbildung in solchen Bereichen, für die man sich vielleicht schon immer interessiert, für die aber immer die Zeit gefehlt hat. Grundsätzlich kommt für die Weiterbildung natürlich das gesamte Spektrum der angebotenen Fächer in Betracht. Es gibt sogar mit etlichen Möglichkeiten zum Seniorenstudium an den Universitäten spezielle Angebote für Menschen ab 50. Oft sind damit die Fächer soziale Gerontologie, Soziologie, Erziehungswissenschaft, Psychologie, Philosophie und Theologie abgedeckt. Mit diesen speziellen Angeboten sollen ältere Menschen nach der Berufstätigkeit für ein gesellschaftliches Engagement qualifiziert werden. 85 % der Absolventen dieses Studienganges in Dortmund gehen denn wohl auch einer ehrenamtlichen Tätigkeit in Institutionen, Verbänden, Selbsthilfegruppen oder anderen selbst initiierten Projekten nach und engagieren sich im sozialen Bereich, in Kultur, Bildung, Sport und der Freizeitarbeit.
Die wissenschaftliche Weiterbildung für älter werdende und ältere Menschen wird für die Hochschulen in Zukunft eine Aufgabe von wachsender Bedeutung werden. Der Anteil der über 60-jährigen steigt bei der absehbaren demografischen Entwicklung von gegenwärtig etwa 25 % in den nächsten Jahrzehnten auf fast 40 %. Dies trifft natürlich auch auf die Teilgruppe der Unternehmer und Führungskräfte zu. Da die Möglichkeit der persönlichen Weiterbildung durch ein Studium eine attraktive Möglichkeit zur Selbstverwirklichung darstellt, könnte sich die künftige Studentenschaft aus Erwachsenen aller Altersgruppen zusammensetzen und nicht nur aus dem Kreis der 20- bis 30-jährigen, wie es heute der Fall ist.
Aufbau neuer Unternehmen
Für einen ehemaligen Unternehmer ist es nicht ungewöhnlich, dass er im Laufe seiner Unternehmertätigkeit Ideen für neue Geschäftsaktivitäten entwickelt. Nach dem Rückzug aus dem bisherigen Unternehmen bietet sich die Möglichkeit, diese Ideen umzusetzen. Wenn dies in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit einem jüngeren Unternehmer oder einem Managementteam erfolgt, so kann die Arbeitslast beim Aufbau eines Unternehmens von Anfang an verteilt werden, und auch in der operativen Tätigkeit kann der Einsatz je nach persönlichen Vorlieben begrenzt werden.
In den USA ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Unternehmer sein Unternehmen verkauft, auch ohne schon an eine Altersnachfolge zu denken. Oft ist nur der Wunsch ausschlaggebend, wieder eine neue Geschäftsidee umzusetzen. Persönlichkeiten mit der Fähigkeit, Unternehmen erfolgreich aufzubauen, können so während ihres aktiven Berufslebens eine Reihe von Geschäftsideen verwirklichen. Andere, die eher die Befähigung zur Führung und Optimierung bestehender Gesellschaften haben, können den weiteren Aufbau fortsetzen.
Eine oft gewählte Tätigkeit für die Beschäftigung nach der Abgabe des eigenen Unternehmens ist diejenige als Unternehmensberater. Dies bietet die Möglichkeit, auch ohne die hohe zeitliche Belastung und die Verantwortung als Unternehmer weiter berufstätig zu sein und die gesammelte Erfahrung zu nutzen. Beratungsprojekte haben in der Regel nur eine zeitlich begrenzte Laufzeit mit weniger als sechs Monaten, so dass der eigene Einsatz durch Annahme oder Ablehnung von Aufträgen „dosiert“ werden kann.
Eine weitere Möglichkeit ist die Online-Unternehmensberatung, die mit geringerem Reiseaufwand und flexibler Zeiteinteilung zusätzliche Freiheitsgrade schafft. Anders als bei der im Folgenden beschriebenen Aktivität als Business Angel erfolgt keine enge Bindung an ein Unternehmen. Eine Sonderform der Unternehmensberatung ist die Tätigkeit als Interimsmanager, der für begrenzte Zeit eine operativ leitende Funktion bei einem Unternehmen übernimmt.
Die Aktivitäten können grundsätzlich in Form von gewerblichen Geschäften oder ehrenamtlich durchgeführt werden. Für die ehrenamtliche Form gibt es eine Reihe von Organisationen in den Ländern, die entsprechende Kontaktnetzwerke pflegen und Anfragen vermitteln. Ein Beispiel hierfür aus NRW ist Go! Senior Coaching NRW im Rahmen der Gründer- und Unternehmensberatung.
Atkiv als Business Angel
Die Tätigkeit als Business Angel setzt sich vom Weg zur Gründung eines eigenen Unternehmens durch einen niedrigeren Grad von Involvement ab. Der Business Angel entwickelt in der Regel keine eigene neue Geschäftsidee und er trägt keine Verantwortung als Unternehmer. Als Business Angel kann ein erfahrener Unternehmer jungen Unternehmensgründern trotzdem mit Rat und Tat helfen. In der klassischen Version versteht sich der Business Angel auch als Investor, der sich in der Regel mit einem kleineren Betrag an einem jungen Unternehmen beteiligt. Die Bedeutung der Business Angels als Investoren hat nach dem Platzen der Internet-Blase nach 2001 allerdings deutlich abgenommen.
Die Rolle als [[Coaching im Mittelstand|Coach und unter Umständen auch als interimsweise operativ tätiger Berater ist dagegen noch genauso wichtig wie früher. Der erfahrene Ex-Unternehmer kann u.a. bei der Vorbereitung und Durchführung von Kapitalerhöhungen helfen, aber auch bei der Schaffung operativ sinnvoller Organisationsstrukturen. Gerade die Erfahrung in der Führung von Personal fehlt vielen Unternehmensgründern, so dass sie von den Erfahrungen eines Business Angels profitieren können.
Es gibt also eine Reihe von Feldern, auf denen der Unternehmer seine Erfahrung als Business Angel weitergeben kann. Die Intensität seiner Mitarbeit kann er nach eigenen Vorlieben und Bedürfnissen flexibel gestalten. Anders als die meisten Berater, die vergleichbare Leistungen erbringen können, sind die meisten Business Angels nicht auf eine zeitnahe Begleichung ihrer Leistungen angewiesen. So kann eine Kompensation erst später bei erfolgreichem Hochlauf der neuen Gesellschaft oder in Form von Anteilen erfolgen. Bei entsprechendem Erfolg kann auch der Business Angel hiermit mittel- bis längerfristig eine attraktive Rendite erzielen. Für das Unternehmen ermöglicht dies die Nutzung der vorhandenen Erfahrungen, ohne dass die vorhandene Liquidität zusätzlich belastet wird.
Für den Erfolg einer Zusammenarbeit zwischen Business Angel und Unternehmen ist Voraussetzung, dass der Business Angel das Geschäftsmodell mit seiner Erfahrung als Erfolg versprechend einstuft. Außerdem müssen Gründer und Business Angel eine gemeinsame persönliche Basis finden, die für die teilweise recht enge Zusammenarbeit trägt. Die Gründer müssen bereit sein, Einschätzungen des Business Angels zu berücksichtigen und ihn in ihr Team mit aufzunehmen, während der Business Angel akzeptieren muss, dass er letztlich nicht mehr der Unternehmer ist, der alleine entscheiden kann. Um von den Erfahrungen des Business Angels und seinem Kontaktnetzwerk partizipieren zu können, sollte die Branche des neuen Unternehmens eng verwandt sein mit derjenigen, in der der Business Angel früher tätig war.
Für einen ehemaligen Unternehmer, der eine weit gehende finanzielle Unabhängigkeit erreicht hat, bietet die Rolle als Business Angel gute Möglichkeiten, die eigenen Erfahrungen weiterhin zu nutzen, ohne dass er die Verantwortung und die Eingespanntheit eines Unternehmers teilen müsste. Dabei kann die Intensität der eingebrachten Leistungen auch gegenüber einer Vollzeittätigkeit flexibel gestaltet und nach Bedarf reduziert werden. Doch trotz dieser Flexibilität und der verringerten Verantwortung besteht die Chance auf eine gute Verzinsung des eingesetzten Kapitals und der eingebrachten Zeit.
Ehrenamtliche Beratung und Entwicklungshilfe
Mit seiner Erfahrung kann der ehemalige Manager oder Unternehmer gerade auch in Schwellenländern bei der Entwicklung der Industrialisierung helfen. Oft fehlen in diesen Ländern Unternehmer mit den entsprechenden Erfahrungen, und der Einsatz von Beratern ist zu teuer. Um derartige Projekte erfolgreich voranzutreiben, ist ein längerfristiges Engagement erforderlich. Außerdem sollte der Betreffende eine Neigung zur Bildungstätigkeit mitbringen. Die richtige Organisation und Führung der Unternehmen sind zwar an sich schon ein sinnvolles Ziel, doch noch besser ist es, wenn das nationale Management durch die Zusammenarbeit in die Lage versetzt wird, dies später auch alleine und ohne externe Unterstützung durchzuführen.
Mittlerweile kümmert sich eine Reihe von Organisationen um die Vermittlung entsprechender Experten. Die Wirtschaftsministerien in den Ländern sind eine Anlaufstelle für solche Vorhaben. In der Mehrzahl handelt es sich bei den Projekten um ehrenamtliche Tätigkeiten, die sich vorwiegend für ehemalige Unternehmer und Führungskräfte eignen, die sich nicht mehr um einen Zuerwerb bemühen müssen. Der Vorteil dieser Aktivität ist, dass die Akquisition neuer Tätigkeiten nicht aktiv durchgeführt werden muss, Die Organisationen haben in der Regel direkte Anfragen von interessierten Ländern oder Unternehmern.
Funktionen in der Politik
Einen wichtigen Beitrag kann ein ehemaliger Unternehmer auch bei politischen Weichenstellungen leisten. Von den 614 Abgeordneten sind nur 16 als Geschäftsführer tätig, 13 sind Unternehmer, aber 143 Juristen und 77 Lehrer und insgesamt immerhin 346 in administrativen Berufen. (Diese Zahl ist natürlich nicht additiv zu betrachten, sondern stellt einen anderen Schnitt durch die Berufsgruppen dar.) Bei den schwierigen Entscheidungen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland wäre mehr „praktische“ Erfahrung in diesem Umfeld sicher wünschenswert. Auch bei Beschäftigungsfragen kann ein Unternehmer, der selber Mitarbeiter eingestellt, geführt und gelegentlich wieder entlassen hat, eher in der Lage sein, zu beurteilen, welche Rahmenbedingungen beschäftigungsfördernd wirken und welche Probleme einen Unternehmer hiervon eher abhalten.
Anstatt der Unternehmensführer und Unternehmer findet man im Bundestag also eher die Verwaltungs- und Organisationsexperten. Dies ist natürlich im Hinblick auf die Aufgaben des Parlaments auch nicht verwunderlich, und ein wesentlicher Grund liegt darin, dass kaum ein Unternehmer die Geschäftsführung in seinem Unternehmen während einer Legislaturperiode einfach ruhen lassen kann. Einer der prominenten Unternehmer im Parlament war Dr. Schwarz-Schilling, der damals auch noch aufgrund seiner Doppelbelastung angefeindet wurde!
Für einen Unternehmer, der sein Unternehmen z.B. im Zuge der Unternehmensnachfolge übergeben oder verkauft hat, besteht grundsätzlich eher die Möglichkeit und auch die Unabhängigkeit, die nötig sind, damit man sich einer politischen Tätigkeit widmen kann. Gleichzeitig entfällt die Notwendigkeit, sich für die weitere eigene Karriere zu profilieren.
Einem solchen Schritt steht jedoch die heutige politische Struktur der Parteien entgegen. Dort wird von den in vorderster Front stehenden Mitgliedern eher der Durchläufer durch die Parteikarriere erwartet als der Quereinsteiger mit besonderen Fähigkeiten und Kenntnissen. Obwohl viele Unternehmer selber Mitglieder einer Partei sind, scheuen die meisten die zeitaufwändige Mitarbeit in Ortsverbänden oder die Einbringung bei Themen der Lokalpolitik. Ein offeneres Verhalten der Parteien und die Öffnung für Quereinsteiger wären sicher nicht nur für die ehemaligen Unternehmer von Vorteil, sondern auch für die politische Arbeit. Wie so oft, könnte auch hier die Mischung von „Parteikarrieristen“ und Seiteneinsteigern ein gutes Ergebnis bringen. Da viele ehemalige Unternehmer keine weiteren beruflichen Verpflichtungen mehr haben, können sie sich einer solchen neuen Aufgabe auch mit ganzer Kraft widmen. Auch dies wäre sicher nicht zum Nachteil des politischen Systems.
Neben den politischen Parteien könnte ein Unternehmer seine Erfahrungen natürlich auch bei ihm nahe stehenden Verbänden oder Lobbyorganisationen einbringen. Genau wie die Parteien haben aber auch viele Verbände ihr Eigenleben entwickelt, mit entsprechenden Verbandskarrieren und inneren Zirkeln, die über die Besetzung von neuen Posten entscheiden. Auch in diesem Bereich dürfte es heute schwierig sein, als Quereinsteiger ohne langfristig vorher geknüpfte Verbindungen eine neue Aufgabe zu finden.
Fazit: Je eher, desto besser
Grundsätzlich gibt es offenbar eine Reihe von Möglichkeiten, um die gesammelten Erfahrungen produktiv einzusetzen. Dieses Spektrum engt sich aber wieder ein, wenn es nicht nur um eine qualifizierte Beschäftigung geht, sondern um die Suche nach Erwerbsquellen. Dies trifft gerade solche Unternehmer, die keine ausreichende Altersvorsorge treffen oder ihr Unternehmen nicht zum gewünschten Preis veräußern konnten.
Für ehrenamtliche Betätigungen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, und eine politische Betätigung ist unter den erwähnten eingrenzenden Bedingungen ebenfalls in vielen Fällen möglich. Dies gilt natürlich auch für die Weiterbildung, z.B. in Form eines Zweitstudiums. Ganz anders sieht es aus, wenn die neue Betätigung einen wesentlichen Zuverdienst erwirtschaften soll. Gute Chancen haben dabei ehemalige Unternehmer mit speziellen und gesuchten Spezialkenntnissen und Kontakten. Als Berater oder Vertreter in Beiräten und Aufsichtsräten werden solche unternehmerisch erfahrenen Experten gesucht.
Sind diese Voraussetzungen aber nicht erfüllt, so findet sich der ehemalige Unternehmer im Wettbewerb mit vielen anderen Dienstleistern aus dem Beratungs-, Coaching- und Interimsmanagement-Umfeld wieder. Nach der Krise der New Economy ist der Beratermarkt zu einem Käufermarkt mit einem Überangebot an Beratern geworden. Auch die Gründung eines neuen Unternehmens gestaltet sich nicht einfach, wenn hierfür Kapital z.B. von Beteiligungsgesellschaften benötigt wird. Die meisten der ehemaligen Unternehmer haben in diesem Bereich keine eigenen Erfahrungen, da sich auch der Beteiligungsbereich in den letzten zehn Jahren erheblich verändert hat. Mit der „richtigen“ Geschäftsidee gibt es aber nach wie vor interessierte Investoren, die einen Unternehmensaufbau begleiten.
Die kurze Betrachtung zeigt jedenfalls, dass es für ehemalige Unternehmer und Führungskräfte nicht den Weg gibt, um nach einem Unternehmensverkauf eine sinnvolle und zufrieden stellende Beschäftigung zu finden. Es empfiehlt sich daher, solche Überlegungen schon vor oder während eines Unternehmensnachfolgeprojektes anzustellen. Immer wieder scheitert die Unternehmensnachfolge im Mittelstand gerade auch an diesen Fragen und den damit verbundenen Unsicherheiten. Je früher ein Unternehmensnachfolgeprojekt gestartet wird, desto eher gibt es auch Chancen für einen Neustart. Dies hat sowohl für den betroffenen Unternehmer Vorteile als auch für die Volkswirtschaft als Ganzes. Zum einen sichert eine frühzeitige Übergabe des Unternehmens eher den Fortbestand und schafft gleichzeitig mehr Chancen für potenzielle Unternehmensgründer. Zum anderen kann die Erfahrung des „alten“ Unternehmers wieder produktiv genutzt werden, da eine größere Anzahl der ehemaligen Unternehmer selber wieder ein Unternehmen aufbauen oder andere Unternehmen bei ihrer Entwicklung fördern.
Dem Aspekt der Aktivität nach der Unternehmensübergabe sollte im Rahmen eines Nachfolgeprojektes immer ein entsprechend hoher Stellenwert eingeräumt werden. Wenn der abgebende Unternehmer dieses Thema nicht selber anspricht, sollte es auf jeden Fall der Berater oder Coach tun.