Eigenkapital aus den Erträgen bilden
Von Christine Lendt
Der Begriff „thesaurieren“ bedeutet ursprünglich so viel wie „Schätze ansammeln“. In volkswirtschaftlichem Sinne wird er verwendet, wenn eine Kapitalgesellschaft ihre Gewinne nicht ausschüttet, sondern zurückhält. Bei Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften kann das zu Interessenkonflikten führen: Während die Kleinaktionäre meist eine Gewinnausschüttung wünschen, streben Großaktionäre (beziehungsweise das Management) eine Thesaurierung an, wenn das Unternehmen intern gestärkt werden soll.
Auch bei Fondsgesellschaften kann es zu einer Thesaurierung kommen („Thesaurierungsfonds“). Dann werden die Erträge nicht an die Anteilseigner des Fonds ausgeschüttet, sondern zur Erhöhung des Fondsvermögens verwendet. Damit steigt auch der Wert der Anteile. Theoretisch erhöht sich der Wert jedes Fondsanteils genau um den thesaurierten Betrag. In vielen Fällen aber sorgt die Thesaurierung gegenüber der Ausschüttung für einen überproportionalen Zuwachs des Vermögens – vergleichbar mit dem Zinseszins bei Geldanlagen.
Eine Thesaurierung ist jedoch keine Wiederanlage: Sie bringt zwar die gleiche Renditeleistung, ist aber steuerlich anders zu behandeln: Bei einer Wiederanlage werden Erträge ausgeschüttet, dann aber erneut in dem gleichen Wertpapier angelegt. Hier besteht der Vermögenszuwachs also in zusätzlichen Fondsanteilen. Anteilseigner können von einer Thesaurierung profitieren, weil der damit verbundene Kapitalzuwachs in der Regel mit einer geringeren steuerlichen Belastung verbunden ist. Bei einem Verkauf fällt der Zuwachs – aufgrund des angewachsenen Fondsvermögens – also höher aus, als wenn eine Barausschüttung des Ertrags stattgefunden hätte.