Erholung ist nur nachträglich Geld wert
Von Sabine Wagner
Eine Situation, die in mittelständischen Unternehmen regelmäßig vorkommt: Ein Mitarbeiter erscheint im Personalbüro bzw. beim Geschäftsführer und erkundigt sich, ob er ausnahmsweise auf seinen Jahresurlaub verzichten könne. Ob sein Urlaubsanspruch nicht einfach ausgezahlt werden könne, da er dringend Geld brauche für eine größere Anschaffung? Dann können Sie wie ein Jurist antworten: „Das kommt darauf an.“
Juristisch gesehen hängt die Antwort in erster Linie davon ab, um welche Art Urlaub es sich handelt. Zu unterscheiden ist zwischen dem im Bundesurlaubsgesetz gesetzlich geregelten Mindesturlaub einerseits und allen darüber hinausgehenden Vereinbarungen andererseits.
Gesetzlicher Mindesturlaub
Für den Fall, dass es sich bei diesen Urlaubstagen um Tage handelt, die alle unter den gesetzlichen Urlaubsanspruch fallen, ist eine Urlaubsabgeltung grundsätzlich immer ausgeschlossen. Gemäß § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist eine Abgeltung ausnahmsweise nur dann gestattet, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Mitarbeiter den gesetzlichen Mindesturlaub deshalb gar nicht mehr nehmen kann. Besteht das Arbeitsverhältnis dagegen weiter, ist die Urlaubsabgeltung beim gesetzlichen Mindesturlaub also tabu.
Dies ist auch nachvollziehbar und gerade in der heutigen Zeit offensichtlich: Der Mitarbeiter braucht dieses Mindestmaß an Erholungsmöglichkeit, wenn er bis zum nächsten Mindesturlaub leistungsfähig, aber auch motiviert bleiben soll.
Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Mitarbeitern, die hiergegen verstoßen, sind grundsätzlich unwirksam. Das bedeutet: Der Arbeitnehmer kann dann neben der Abgeltung noch den Mindesturlaub in Anspruch nehmen. Das Unternehmen kann jedoch verlangen, dass der Mitarbeiter die Urlaubsabgeltung zurückzahlt, z.B. indem es den Betrag in Monatsraten vom Gehalt einbehält.
Die Unwirksamkeit von Abgeltungsvereinbarungen ist aber nur dann gegeben, wenn sie für das Kalenderjahr abgeschlossen werden, in dem der gesetzliche Mindesturlaub entsteht: Eine Vereinbarung, in der die Parteien z.B. im Verlauf des Jahres 2013 eine Urlaubsabgeltung für den gesetzlichen Mindesturlaub des Jahres 2013 vereinbaren, ist also unwirksam.
Anders liegt die Sache, wenn die Vereinbarung den gesetzlichen Mindesturlaub des Vorjahres betrifft. Das kommt daher, dass der gesetzliche Mindesturlaub grundsätzlich zum 31. Dezember eines Kalenderjahres verfällt, im genannten Beispiel also Ende 2013. Das Bundesarbeitsgericht sieht dann in einer solchen Vereinbarung die Einigung beider Parteien auf eine zusätzliche Leistung, die im Rahmen der Vertragsfreiheit bzw. der Privatautonomie möglich ist. (Die Privatautonomie ist die Befugnis des Einzelnen, im Rahmen der Rechtsordnung eigenverantwortlich rechtsverbindliche Regelungen zu treffen.) Mit dem Bundesurlaubsgesetz, das diese Leistung nicht kennt, hat die Abgeltungsvereinbarung dann nichts zu schaffen.
Übergesetzlicher Mehrurlaub
Die Unwirksamkeit von Urlaubsabgeltungsvereinbarungen betrifft wie gesagt den gesetzlichen Mindesturlaub. Es ist aber mitunter so, dass der Mitarbeiter nicht nur darauf Anspruch hat, sondern laut Arbeitsvertrag mehr Urlaubstage pro Kalenderjahr nehmen kann. Diese zusätzlichen, individualvertraglichen (einzelvertraglich vereinbarten) Urlaubstage lassen sich durchaus auszahlen. Aber nur diese! Und nur für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis nicht einem Tarifrecht unterliegt, das einen Abgeltungsanspruch ausschließt! Wo das Tarifrecht einen Urlaubsabgeltungsanspruch ausschließt, kann ein Unternehmen mit seinen Mitarbeitern keine Abgeltung individualrechtlich vereinbaren.
Fazit: Fristen für Einzelfälle
In ihren Grundzügen ist die Rechtslage zur Urlaubsabgeltung eindeutig. Tatsächlich liegen die Fälle in der Praxis oft deutlich schwieriger, etwa in Fällen andauernder Arbeitsunfähigkeit, bei umstrittenen Kündigungen oder wenn Tarifbestimmungen zu Folgekomplikationen führen. Doch gerade weil Zweifelsfälle sehr schnell sehr schwierig werden können, ist es klug, die Prinzipien der Abgeltung im Auge zu behalten:
- Gesetzlicher Mindesturlaub kann bei ungekündigtem Arbeitsverhältnis nicht abgegolten werden.
- Vereinbarungen, die dagegen verstoßen, sind unwirksam – wenn die Vereinbarung im Jahr des gesetzlichen Mindesturlaubs geschlossen wird.
- Vereinbarungen im Jahr darauf, die den gesetzlichen Mindesturlaub des Vorjahres betreffen, sind wirksam.
- Jeglicher Urlaub, der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgeht, kann abgegolten werden, sofern dem nicht Tarifrecht entgegensteht.
Dass es in allen Sonderfällen – auch dann, wenn der Mitarbeiter einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung im Folgejahr geltend macht – eine Reihe entscheidender Fristen zu beachten gilt, zeigt ein eigener Schwerpunktbeitrag zum Urlaubsabgeltungsanspruch.