Ausgezahlter Urlaub muss voll erhalten bleiben
Von Sabine Wagner
Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz regelt in § 17 BEEG, wie der Erholungsurlaub zu berechnen ist, wenn Mitarbeiter in Elternzeit gehen. Das Prinzip: Die Elternzeit erwirbt keinen Urlaubsanspruch. Das heißt: Der Arbeitgeber kann den Jahresurlaub „für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen.“ Bisher war es üblich, dass die anteilige Kürzung auch dann galt, wenn der Urlaub nicht genommen, sondern abgegolten wurde; das ist vor allem dann der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis während oder im Anschluss an die Elternzeit endet. Das hat sich aber mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gründlich geändert.
Nun kann der Arbeitgeber die Urlaubsabgeltung von Mitarbeitern in Elternzeit nur dann kürzen, wenn der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht (Urteil vom 19. Mai 2015, Az. 9 AZR 725/13), d.h. wenn die Beschäftigten nach der Elternzeit in den Betrieb zurückkehren und ihren Urlaub tatsächlich nehmen können. Wenn das Arbeitsverhältnis dagegen beendet ist, findet die Norm, anders als bisher, keine Anwendung mehr. Die Urlaubsabgeltung für ausscheidende Mitarbeiter lässt sich nicht mehr für jeden Elternzeit-Monat um ein Zwölftel kürzen.
Anstelle von Erholung – aber ganz anders
Im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung erachtet das BAG den Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht mehr als Ersatz (sogenanntes Surrogat) des eigentlichen Urlaubsanspruchs. Im neuen Verständnis handelt es sich um einen reinen Geldanspruch, der sich nicht ohne Weiteres in Urlaubszeit „übersetzen“ lässt; er ist als ein Teil des Vermögens des Arbeitnehmers zu verstehen und unterscheidet sich somit nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber.
Diese Änderung der Rechtsprechung ist eine Folge der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur Urlaubsabgeltung (Urteil vom 20. Januar 2009, Az. C-350/06 und C-520/06). Damals hatte der EuGH entschieden, dass der Urlaubsanspruch trotz langer Krankheit nicht verfällt und dass ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung besteht, falls das Arbeitsverhältnis beendet wird.
Der Grundlagenbeitrag erklärt, wann Arbeitnehmer in Elternurlaub gehen können, und welche Fristen dafür gelten. Das Update dazu setzt auseinander, welche Regelungen für Kinder gelten, die ab dem 1. Juli 2015 geboren sind. Ein Extrabeitrag widmet sich außerdem den finanziellen Fragen der Urlaubsabgeltung.
Fazit: Keine Kürzung bei der Urlaubsabgeltung
Im Fall, der der neuen Rechtsprechung des BAG zugrunde lag, hatte das Arbeitsgericht Hamm in der ersten Instanz die Klage auf Urlaubsabgeltung für die Elternzeit Ende 2012 noch abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht änderte im Berufungsverfahren dieses Urteil ab (Az. 16 Sa 51/13): Es erachtete die nachträgliche Kürzung des Erholungsurlaubs für unwirksam und sprach der Klägerin eine Urlaubsabgeltung von mehreren tausend Euro zu. Auch die Revision des beklagten Unternehmens vor dem Bundesarbeitsgericht war nun ohne Erfolg: Das BAG bestätigte, dass die Kürzung des abzugeltenden Erholungsurlaubs unwirksam ist.