Urlaubsanspruch bei Arbeitgeberwechsel: Wie viel Jahresurlaub beim Jobwechsel übrig bleibt

Ein neuer Arbeitsplatz begründet nicht noch einmal neu den gesetzlichen Anspruch auf einen kompletten Jahresurlaub. Das klingt einfach, wird aber z.B. dann kompliziert, wenn das alte Arbeitsverhältnis nicht rechtskräftig beendet ist. Gabriele Weintz von anwalt.de erläutert die jüngste Rechtsprechung.

Urlaubstage aus dem alten Job zählen dazu

Von Gabriele Weintz, anwalt.de

Jeder Arbeitnehmer in Deutschland hat nach § 1 Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz/BUrlG) „Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub“. So weit, so gut. Allerdings gibt es auch in diesem Zusammenhang immer wieder Streitfälle. Das ist z.B. dann der Fall, wenn nicht klar ist, auf wie viele Urlaubstage der Arbeitnehmer Anspruch hat, weil er den Arbeitgeber gewechselt hat oder unwirksam gekündigt wurde.

Ausschluss von Doppelansprüchen

Der Gesetzgeber hat in § 6 Abs. 1 BUrlG für den Fall des Arbeitgeberwechsels vorgesorgt und geregelt, dass ein Urlaubsanspruch dann nicht besteht, wenn der frühere Arbeitgeber im laufenden Kalenderjahr bereits Urlaub gewährt hat. Daher muss ein Arbeitnehmer bei der Beantragung seines Urlaubs in einem neuen Arbeitsverhältnis mitteilen, ob sein früherer Arbeitgeber den Urlaubsanspruch noch nicht (vollständig oder teilweise) erfüllt hat. Dabei handelt es sich um eine Voraussetzung für einen Urlaubsanspruch beim neuen Arbeitgeber.

Nach § 6 Abs. 2 BUrlG ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub auszuhändigen.

Nachweis auch nachträglich möglich

In einem Fall, den das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 16. Dezember 2014 (Az.: 9 AZR 295/13) entschied, hatte ein Arbeitnehmer nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gegen seinen bisherigen Arbeitgeber auf Abgeltung seines Urlaubs für das Jahr 2010 geklagt. Dies lehnte der Arbeitgeber mit dem Hinweis ab, dass dem Arbeitnehmer bereits durch seinen früheren Arbeitgeber Urlaub für das Jahr 2010 gewährt worden sei. Eine Bescheinigung seines früheren Arbeitgebers über seinen Urlaubsanspruch legte der Arbeitnehmer jedoch nicht vor. Vom Arbeitsgericht (ArbG) erhielt der Kläger den Anspruch auf Urlaubsabgeltung allerdings zugesprochen.

Gegen dieses Urteil legte der frühere Arbeitgeber Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg ein und bekam Recht. Der Urlaubsanspruch des Klägers sei aufgrund einer vertraglichen Ausschlussfrist bereits verfallen.

Der Kläger ging daraufhin in Revision vor das Bundesarbeitsgericht und hatte dort Erfolg: Die Richter stellten fest, dass der Anspruch nicht aufgrund einer vertraglichen Ausschlussfrist verfallen sei. Allerdings verwiesen sie den Rechtsstreit an das LAG zurück und stellten klar, dass der Kläger die Möglichkeit haben müsse, den Nachweis des (vollständig oder teilweise) erfüllten oder abgegoltenen Urlaubsanspruchs durch eine Bescheinigung seines früheren Arbeitgebers zu erbringen. Kann der Kläger diesen Nachweis erbringen, so ist der Urlaubsanspruch abzugelten, soweit der Beklagte nicht selbst den Urlaubsanspruch erfüllt hat.

Doppelarbeitsverhältnis ohne Doppelurlaub

In einem anderen Fall, den das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden hatte, ging es ebenfalls um einen doppelten Urlaubsanspruch. Allerdings lag hier ein Sonderfall vor: Die Klägerin hatte zwar den Arbeitgeber gewechselt, aber im folgenden Kündigungsrechtsstreit wurde festgestellt, dass das frühere Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund einer unwirksamen Kündigung nicht aufgelöst worden war und somit bei der Aufnahme einer neuen Tätigkeit noch fortbestand. In diesem Fall gilt § 6 Abs. 1 BUrlG gerade nicht, denn es gab keinen normalen Arbeitgeberwechsel; vielmehr lag hier ein sogenanntes Doppelarbeitsverhältnis vor.

Für das Jahr 2008 wollte die Klägerin einen Ersatzurlaubsanspruch von 29 Arbeitstagen erstreiten. Das LAG gab der Klage statt und erklärte, dass ihr ein Ersatzurlaubsanspruch von 29 Tagen zustehe.

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Gegen diese Entscheidung legte der frühere Arbeitgeber Revision ein; er wollte erreichen, dass bei der Nachberechnung die bereits vom neuen Arbeitgeber gewährten 21 Urlaubstage in Abzug gebracht werden. Die Richter des BAG gaben dem früheren Arbeitgeber Recht (Urteil vom 21. Februar 2012, Az.: 9 AZR 487/10): Nach einem gewonnenen Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitnehmer grundsätzlich so gestellt werden, als wäre das Arbeitsverhältnis nie unterbrochen worden. Der Urlaubsanspruch aus dem früheren Arbeitsverhältnis besteht also fort.

Dennoch befand das BAG, dass in diesem Fall der vom neuen Arbeitgeber bereits gewährte Urlaub zu verrechnen sei. Der Grund: Die Klägerin hätte nicht für beide Arbeitgeber gleichzeitig ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllen können. Die Anrechnung geschieht wegen der Gleichheit der Interessenlage nach § 11 Nr. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sowie § 615 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog.

Im Ergebnis hatte die Klägerin also gerade keinen doppelten Urlaubsanspruch, sondern musste sich die vom neuen Arbeitgeber bereits gewährten 21 Urlaubstage auf den Ersatzurlaubsanspruch beim alten Arbeitgeber anrechnen lassen, sodass ihr für das Jahr 2008 nur noch ein Ersatzurlaubsanspruch von acht Arbeitstagen zustand.

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