Weißes Kreuz auf grünem Grund
Von Christine Lendt
Wenn der Cutter über die Fingerkuppe rutscht oder Ammoniak ins Auge spritzt, muss man sofort reagieren. Aber Hand aufs Herz: Weiß jeder Ihrer Mitarbeiter, wo sich der Verbandskasten befindet? Und ist wirklich drin, was das Kreuz auf dem Deckel verspricht? Mit aktuellem Haltbarkeitsdatum?
Es gehört zu den Pflichten eines Betriebes, Erste-Hilfe-Material bereitzustellen – und zwar ausreichend: Mit der Summe der Mitarbeiter steigen Zahl und Größe der erforderlichen Verbandskästen. Auch die Art des Betriebes spielt eine Rolle.
Gesetzliche Grundlagen sind die Verordnung über Arbeitsstätten (ArbStättV), das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sowie die Unfallverhütungsvorschriften der Versicherungsträger.
DIN-Norm nach Betriebsgröße
Für gewerbliche Firmen gibt es zwei normgerechte Größen: Der kleine Betriebsverbandskasten (DIN 13157-C) enthält 72 Teile. Der große Betriebsverbandskasten (DIN 13169-E) ist mit 141 Teilen bestückt.
Bei folgenden Mitarbeiterzahlen ist die große Ausführung vorgeschrieben:
- Baustellen: 11–50 Personen
(+ ein zusätzlicher Kasten für je 50 weitere Personen) - Herstellungs- und Verarbeitungsbetriebe: 21–100 Personen
(+ ein zusätzlicher Kasten für je 100 weitere Personen) - Verwaltungs- und Handelsbetriebe: 51–300 Personen
(+ ein zusätzlicher Kasten für je 300 weitere Personen)
Anstelle eines Kastens nach DIN 13169-E dürfen auch zwei Kästen nach DIN 13157-C verwendet werden. Die beiden Typen unterscheiden sich nämlich nur bezüglich der Anzahl, nicht aber in der Art des Verbandsmaterials.
Standort kennzeichnen
Ein Erste-Hilfe-Kasten in der Besenkammer macht wenig Sinn. Er sollte sich, gut sichtbar, unmittelbar dort befinden, wo es die Bedingungen erfordern könnten, geschützt vor Schmutz, Nässe und hohen Temperaturen. Die maximale Entfernung von ständigen Arbeitsplätzen liegt bei 100 Metern und höchstens einem Stockwerk. Erlaubt sind sowohl tragbare Verbandskästen, als auch unbewegliche Behälter, zum Beispiel Verbandsschränke. Der Standort muss gut sichtbar gekennzeichnet werden: mit einem weißen Kreuz auf grünem Grund. Ein Zettel mit den Notrufnummern sollte groß daneben prangen. Vor allem für Spezialfälle: Bei bestimmten Arbeitsunfällen ist es sinnvoll, den Giftnotruf oder eine Druckkammer anzurufen.
Verbandskästen in Fahrzeugen bieten (leider) oft einen jämmerlichen Anblick oder fehlen komplett. Handelt es sich um einen Firmenwagen, ist am Ende der Chef dran. Es genügt schon der Ärger, den eine Routinekontrolle der Polizei mit sich bringen kann. Erinnern Sie also ihre Mitarbeiter daran, dass sie regelmäßig die Verbandskästen in ihren Autos überprüfen.
Material für die Soforthilfe
Kfz-Verbandskästen gehören in Fahrzeuge, nicht aber in Firmenräume. Denn Betriebsverbandkästen enthalten zusätzliche Teile, wie sie spezielle Arbeitsunfälle erfordern können, z.B. Fingerkuppenverbände und Augenkompressen. Die Kästen, die es komplett fertig zu kaufen gibt, erfüllen diesen Zweck – vorausgesetzt, sie tragen die CE-Kennzeichnung. Hinein gehören vor allem Verbandsmaterialien und Utensilien, die bei der Ersthilfe nützlich sind, wie Einweghandschuhe und eine Rettungsdecke. Auch das Inhaltsverzeichnis und eine Erste-Hilfe-Anleitung dürfen nicht fehlen.
Über erbrachte Erste-Hilfe-Leistungen muss der Arbeitgeber ein Verbandsbuch führen und dieses fünf Jahre lang verwahren.
Bei Tätigkeiten mit besonderen Risiken kann der Inhalt erweitert werden, etwa um Medikamente gegen Einwirkungen gefährlicher Stoffe. Sinnvoll sind auch zusätzliche Schutzmaterialien wie Beatmungsfolien. Aspirin für verkaterte Sekretärinnen ist dagegen in der Schreibtischschublade besser aufgehoben. So bleibt das Erste-Hilfe-Set überschaubarer.
Haftung und Verfallsdatum
Gebrauchtes Material gehört in den Abfall und sollte sofort ersetzt werden. Ein Verbandskasten, der jahrelang nicht benutzt werden musste, ist Anlass zur Freude, nicht aber dazu, ihn zu vergessen. Im Gegenteil: Sterile Materialien wie Kompressen tragen ein Haltbarkeitsdatum. Ist es abgelaufen, müssen sie ersetzt werden, sonst kommt man als Arbeitgeber in die Bredouille. Ein prüfender Blick sollte auch den anderen Vorräten gelten: Bei Heftpflastern und Schnellverbänden lässt der Klebstoff mit der Zeit nach, Einweghandschuhe können porös werden.
Fazit: Regelmäßig überprüfen
Betrachten Sie Verbandskästen nicht (nur) als eine leidige Vorschrift, die Geld kostet, sondern als das, was sie sind: wertvolle Mittel zur Hilfeleistung. Auf die muss man sich verlassne können. Halten Sie auch Ihre Belegschaft in Sachen Sofortmaßnahmen auf dem Laufenden – vielleicht spendieren Sie sogar ein Erste-Hilfe-Update? Bei vielen liegt der Kurs schon Jahrzehnte zurück. Wenn ein Unfall passiert, sollte niemand ahnungslos herumstehen.