Die neue Rententeilung geht an die Quelle
Von der Fachredaktion anwalt.de
Der Versorgungsausgleich findet bei Beendigung einer Ehe statt und teilt die bis dahin erworbenen Anwartschaften (also die Aussicht auf einen künftigen Anspruch, nicht den Anspruch selbst) auf Altersversorgung zwischen den Eheleuten zur Hälfte auf. Das betrifft Betriebsrenten ebenso wie die eigene Altersvorsorge von Unternehmern.
Im Zuge umfangreicher Familienrechtsreformen wurden 2008 auch die Bestimmungen zum Versorgungsausgleich neu gefasst. Die Vorschriften über den Ausgleich von Rentenansprüchen sind nun seit 1. September 2009 in Kraft und damit zeitgleich mit dem neuen Verfahrensrecht in Familiensachen. Die neuen Regeln sollen nicht nur für mehr Klarheit und Verständlichkeit bei der Ausgleichsberechnung sorgen, sondern v.a. auch für mehr Gerechtigkeit. Der Grundsatz der hälftigen Teilung aller Versorgungsansprüche bleibt daher auch bestehen.
Alt: Alles aus einem Topf
Bislang wurden die Werte aller während der Ehe und bis zur Scheidung entstandenen Versorgungsansprüche der Eheleute ermittelt, unabhängig davon, ob es sich um Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, berufsständischen Versorgungswerken (z.B. bei Rechtsanwälten, Steuerberatern, Ärzten), betrieblichen Pensionskassen oder etwa privaten Rentenversicherungen handelte.
Der Wert der einzelnen Anwartschaften wurde anhand der Barwert-Verordnung ermittelt. Die Summe der Ansprüche von Ehemann und -frau wurden dann miteinander verrechnet. Anschließend erhielt der Ehegatte mit geringeren Anwartschaften einen Ausgleichsanspruch gegen den anderen. Die Höhe dieses Ausgleichsanspruchs: die Hälfte der Differenz zwischen den Versorgungsansprüchen. Im Ergebnis erhielten also beide Eheleute nach der Scheidung gleich viele Versorgungsanwartschaften.
Der Ehemann hat Anwartschaften in Höhe von 30 Punkten bei der gesetzlichen Rentenversicherung, die Ehefrau nur 16 Punkte. Die Differenz von 14 Punkten wird zur Hälfte geteilt und an den Ausgleichsberechtigten übertragen, so dass nach der Scheidung der Ehemann Anwartschaften in Höhe von 23 Punkten (30 – 7 = 23) und die Ehefrau ebenfalls in Höhe von 23 Punkten (16 + 7 = 23) hat.
Das Problem: Bei der Umrechnung der unterschiedlichen Ansprüche über die Barwert-Verordnung kam es oft zu ungerechten Teilungsergebnissen wegen unsicherer Prognosen über die Wertentwicklung – meist zum Nachteil des Ausgleichsberechtigten. Zudem wurde der Ausgleichsanspruch zwingend über die gesetzliche Rentenversicherung durchgeführt, was im Einzelfall oft nachteilig war. Die Bewertung und Berechnung der Rentenanwartschaften und Ausgleichsansprüche war zuletzt kaum noch von Experten zu durchschauen und war oftmals der Grund für langwierige Scheidungsverfahren.
Neu: Intern, sofort und direkt
Statt dieser Wertermittlung und Verrechnung werden die Ansprüche künftig direkt beim jeweiligen Versorgungsträger halbiert und aufgeteilt – also „intern“ anstatt über die gesetzliche Rentenversicherung. Jeder Ehepartner erhält eigene Rentenkonten bei den verschiedenen Versorgungssystemen, auf dem die Hälfte des bisherigen Anspruchs gutgeschrieben wird.
Die Ehefrau hat während der Ehezeit Rentenanwartschaften aus gesetzlicher Rente in Höhe von 10 Punkten erworben, aus einer berufsständischen Versorgung in Höhe von 20 Punkten sowie aus einer betrieblichen Versorgung in Höhe von 20.000 Euro Kapitalwert und eine private Altersvorsorge von 5000 Euro. Der Ehemann hat keine eigenen Rentenansprüche und erhält nun bei allen Versorgungsträgern ein eigenes Rentenkonto, auf dem die Hälfte der Anwartschaften seiner Ehefrau gutgeschrieben wird. Im Ergebnis haben also beide eigene Rentenkonten: bei der gesetzlichen Rentenversicherung mit je 5 Punkten, beim berufsständischen Versorgungswerk mit je 10 Punkten sowie einen Anspruch aus der betrieblichen Pensionskasse von je 10.000 Euro Kapitalwert neben der privaten Altersversorgung von je 2500 Euro.
Am Beispiel zeigt sich der weitere Vorteil, dass nun auch Rechte aus betrieblicher oder privater Altersvorsorge bereits bei der Scheidung endgültig geteilt werden. Es müssen später keine umständlichen Ausgleichs- oder Änderungsverfahren durchgeführt werden, wenn diese Versorgungen später mehr oder weniger wert werden.
Tritt die Reform zum 1. September 2009 in Kraft, so gilt sie für alle ab diesem Zeitpunkt eingeleiteten Scheidungen. Bereits laufende Verfahren richten sich jedoch weiterhin nach altem Recht. Erst wenn sie bis 2010 nicht erstinstanzlich abgeschlossen sind, gilt für sie auch der neue Versorgungsausgleich. Für getrennt von der Scheidung bereits laufende Versorgungsausgleichssachen gilt das neue Recht bereits ab 1. September 2009.
Externe Teilung bleibt Ausnahme
Externe Teilung bedeutet, dass anstatt eines zweiten Rentenkontos beim Versorgungsträger dieser einen Kapitalbetrag bei einem anderen „externen“ Versorgungsträger für den Ausgleichsberechtigten einzahlt. Die externe Teilung ist nur mit dessen Zustimmung möglich, oder bei kleinen Versorgungen von bis zu ca. 50 Euro. Der Ausgleichsberechtigte kann frei wählen, ob er mit dem Kapital eine bereits bestehende Versorgung aufstockt oder eine neue Versorgung einrichtet. (Im Grundsatz war auch das bisherige Vorgehen immer dann eine „externe“ Teilung, wenn Ansprüche aus anderen Versorgungssystemen zwingend über die gesetzliche Rentenversicherung ausgeglichen wurden.)
Wann der Ausgleich entfällt
Künftig wird bei so genannten Kurzzeitehen von bis zu drei Jahren einschließlich des Trennungsjahres kein Versorgungsausgleich mehr durchgeführt, es sei denn, ein Partner verlangt ihn ausdrücklich. Der Hintergrund dieser Bestimmung: Während dieser kurzen Zeit werden in der Regel nicht entscheidend viele Versorgungsanwartschaften erworben und das Vertrauen auf eine gemeinsam abgesicherte Zukunft ist weniger schutzwürdig als bei langer Ehedauer. Der Versorgungsausgleich wird dennoch durchgeführt, wenn einer der Partner dies ausdrücklich beantragt.
Ein Ehepartner gibt seinen Beruf zugunsten der Kindererziehung im Vertrauen auf gemeinsame Zukunft auf. Der Verlust eigener Altersrente wirkt sich für ihn erst bei längerer Ehezeit erheblich aus. Bei kurzer Ehedauer wird ein Ausgleich nur bei ausdrücklichem Antrag durchgeführt.
Auch wenn die Partner ähnlich hohe bzw. niedrige Versorgungsansprüche haben, entfällt der Versorgungsausgleich. Erst ab einer Differenz von aktuell 25 Euro Rentenbetrag pro Monat ist er vorgesehen.
Der Anspruch auf Versorgungsausgleich kann jedoch auch ausgeschlossen sein, wenn man dem Ausgleichsberechtigten grobes Fehlverhalten während der Ehe vorwerfen kann. Das zeigt eine aktuelle Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss vom 16. September 2008, Az.: 2 UF 111/08). Die Richter erklärten, dass nach § 1587c Nr. 1 BGB grundsätzlich der Ausgleich ausgeschlossen sein kann, wenn das Fehlverhalten des Ausgleichsberechtigten besonders schwer wiegt.
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Ob das so ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Grobes Fehlverhalten muss dabei nicht wirtschaftlich relevant sein. Im entschiedenen Fall reichten die tätlichen Übergriffe eines Ehemannes unter Alkoholeinfluss nicht aus, seinen Ausgleichsanspruch auszuschließen. Die Begründung der Richter: Die Frau hatte trotzdem stets die eheliche Gemeinschaft gerade auch in finanziellen Dingen fortgesetzt, z.B. ihr hohes Erbschaftsvermögen auf gemeinsame Konten transferiert, dem Sohn ein gemeinsames Darlehen gewährt u.a.
Fazit: Spielraum für Einzelabreden
Wegen der gewachsenen Eigenverantwortung der Bürger für die eigene Altersvorsorge sind künftig auch mehr individuelle Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich möglich. Derartige Vereinbarungen bleiben neuerdings auch dann wirksam, wenn innerhalb eines Jahres nach dieser Vereinbarung der Scheidungsantrag gestellt wird. Treffen die Parteien Ausgleichsvereinbarungen während des laufenden Scheidungsverfahrens, sind diese nun auch ohne Genehmigung des Familiengerichts wirksam.
Nützliche Links
Zum Thema Versorgungsausgleich hat das Bundesjustizministerium eine eigene Seite mit weiteren Infolinks im Netz, darunter auch den Gesetzentwurf zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) als PDF. Eine weitere Seite behandelt das zeitgleich relevante, neue gerichtliche Verfahren in Familiensachen.