Selbstauskunft in die Kamera
Von David Schahinian
Normalerweise legt das Unternehmen die Spielregeln fest: Termin, Dauer, Technologieplattform etc. Auch die einleitenden Worte übernimmt meist der Personaler. Dann kommt es darauf an, wie gut man vorbereitet ist.
Zwölf Tipps für Online-Vorstellungsgespräche
Tipp 1: Die Technik testen
Es mag gerade für ITler überflüssig klingen, aber ein frühzeitiger Hard- und Software-Check ist unabdingbar. Arbeitgeber nutzen unterschiedliche Tools, die mitunter etwas Eingewöhnung und am besten einen Testlauf erfordern. Wer damit erst eine Stunde vor dem Vorstellungsgespräch beginnt, hat kaum mehr Zeit, zu reagieren, wenn es auf einmal so weit ist. Und wer schon beim Zocken gemerkt hat, dass das eigene WLAN instabil ist, sollte sich überlegen, für das Gespräch auf ein Netzwerkkabel zu setzen.
Auch wenn online vieles anders läuft: Es gilt nach wie vor, dass man keine zweite Chance für einen ersten Eindruck bekommt. Das gilt auch für den Nickname, den man vielleicht schon vor fünf Jahren bei der Skype-Installation gewählt hat. Es könnte gegebenenfalls ratsam sein, ihn vor dem Gespräch durch einen herzeigbaren zu ersetzen.
Tipp 2: Ein seriöses Umfeld herstellen
Lief plötzlich die Katze durchs Bild, wurde das bei den Videokonferenzen im Corona-Lockdown meist noch als positiv-menschliches Signal gewertet und freundlich aufgenommen. Klar, Cat Content geht immer. Beim Vorstellungsgespräch kann einem so etwas aber schnell als unprofessionell ausgelegt werden. Die Tür ist am besten zu, und etwaige Mitbewohner sind zu informieren, dass sie bitte nicht stören. Potenzielle Geräuschverursacher sollten auf lautlos gestellt werden.
Tipp 3: Die richtige Einstellung finden
Zu einem überzeugenden Auftritt vor der Webcam zählen ein neutraler oder ruhiger Hintergrund, der nicht von der Person ablenkt, und die richtige Kameraposition, am besten auf Augenhöhe, sodass die Kamera nicht von unten auf das (Doppel-)Kinn fokussiert. Der Blick sollte zudem nicht starr auf den Monitor, sondern überwiegend in die Kamera gehen.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazinreihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
Ferner sollte der Lichteinfall berücksichtigt werden – ein nicht zu unterschätzender Faktor. Gegenlicht beispielsweise blendet und macht das eigene Profil im schlimmsten Fall unkenntlich. In den meisten Fällen erzielt man mit Tageslicht sowie gegebenenfalls zusätzlichen Lichtquellen wie einer Stehlampe beste Ergebnisse. Nahezu alle Videokonferenztools bieten die Möglichkeit, das eigene Kamerabild zu überprüfen, bevor man sich in ein Gespräch einschaltet.
Tipp 4: Ordnung schaffen
Erfolgt die Einladung zu einem (Online-)Vorstellungsgespräch, ist die Bewerbung meist schon geprüft und für gut befunden worden. Dabei geht es aber in der Regel lediglich um einen ersten Überblick, der nur wenig Präsentationsmöglichkeiten zulässt. Auch ist die Dokumentengröße bei Online-Bewerbungen meist eng begrenzt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Recruiter mehrere Bewerbungen in die enge Auswahl gezogen haben und entsprechend viele Gespräche führen.
Es lohnt sich daher, wichtige Unterlagen während des Online-Vorstellungsgesprächs abrufbereit zu haben, zum Beispiel Arbeitsproben, die für den potenziellen Arbeitgeber besonders interessant sein könnten, oder Referenzen, für die in der Bewerbung kein Platz mehr war. Wer sie strukturiert auf der Festplatte abgelegt hat und gegebenenfalls während des Gesprächs oder direkt danach verschickt, hat die Nase vorn. Der Eindruck beim Personaler ist noch frisch, er ist nicht bereits zwei Kandidaten weiter – und er sieht, dass man gut vorbereitet ist.
Tipp 5: Die eigene Wirkung reflektieren
Der Klassiker: Das Videogespräch läuft gut, doch plötzlich zieht es. Man entschuldigt sich beim Gegenüber, steht kurz auf, um das Fenster zu schließen, und gibt damit den Blick auf seine Shorts frei. Wie oft das tatsächlich vorkommt, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass man innerlich und äußerlich eine andere Haltung einnimmt, wenn man dem Anlass entsprechend gekleidet ist – und zwar vollständig.
Insbesondere im Homeoffice ist die Gefahr groß, dass man nachlässig wird, weil man sich in einem bekannten und geschützten Umfeld bewegt. Wer gerade noch eine Dose Ravioli in Unterhose verspeist hat, wird im Kopf nicht so schnell umschalten können. Sie sind komplett gekleidet? Gut. Dann sollte geprüft werden, wie die Oberbekleidung vor dem gewählten Hintergrund wirkt und ob sie flimmert. Wenn der Personaler kleinkariert ist, muss man das hinnehmen. Man selbst sollte es nicht sein.
Tipp 6: Besonderheiten beachten
Kleine Unterschiede, große Wirkung: Wer ein Vorstellungsgespräch per Video führt, muss permanent damit rechnen, im Fokus zu sein. Die Blicke sind auf den Monitor und damit auf das Gesicht und den Oberkörper des Gegenübers gerichtet, während sie sonst vielleicht auch einmal durch den Raum schweifen. In Videocalls werden wandernde Blicke aber schnell als unhöflich ausgelegt und daher meist unterlassen.
Derart im Mittelpunkt zu stehen, kann aber auch Vorteile haben: Wer offen und konzentriert wirkt sowie höflich und verbindlich in die Kamera schaut, kann im Vergleich zu einem persönlichen Treffen auch mit einem eingeschränkten Arsenal an Mitteln Sympathien gewinnen und eine Verbindung aufbauen. Wer seinen Gesprächspartner auch einmal mit seinem Namen anspricht, verringert die Distanz. Ein großes Ärgernis sind indes glucksende Tonleitungen oder eine nuschelnde Aussprache, die im Äther potenziert wird. Besser ist es, nicht das billigste Headset zu verwenden. Mutti hatte zudem recht: Langsam und deutlich sprechen.
Tipp 7: Flexibel bleiben
In einem persönlichen Vorstellungsgespräch kommt es eher selten vor, dass das Bild plötzlich einfriert oder das Gegenüber plötzlich nicht mehr zu hören ist, obwohl er seine Lippen weiter bewegt. Online ist das aber trotz bester Vorbereitung alles andere als ausgeschlossen – wohlgemerkt auf beiden Seiten, denn hier wie dort sitzen Menschen vor dem Monitor. Wer darauf gefasst ist, kann direkt beweisen, was viele Personalverantwortliche ohnehin herausfinden wollen: Wie man reagiert, wenn es hektisch wird oder man sich mit unvorhergesehenen Problemen konfrontiert sieht. Ein guter Tipp: Ruhig bleiben und nach einer gemeinsamen Lösung suchen. Das können zum Beispiel eine Fehlerbehebung per Chat-Funktion oder die Fortsetzung des Gesprächs am Telefon sein.
Tipp 8: Spickzettel zurechtlegen
Dass der Personaler über die Webcam nur das Gesicht und höchstens noch den Oberkörper sieht, bietet ungeahnte Möglichkeiten. Anders als in der Schule ist es nicht verboten, sich zusätzliche Informationsquellen auf dem Schreibtisch zurechtzulegen, auf die man unauffällig einen Blick werfen kann. Hierbei ist allerdings Vorsicht geboten: Zum einen ersetzt das nicht eine möglichst grundlegende Recherche zur ausgeschriebenen Stelle und den Arbeitgeber. Zum anderen sollten es höchstens Stichworte als Gedankenstützen sein, damit das Vorgehen nicht auffällt. Wer die Hälfte des Gesprächs mit gesenktem Kopf in Unterlagen wühlt, macht das Gegenteil von einem guten Eindruck.
Dazu noch ein guter Tipp von Karriere- und Business-Coach Dr. Bernd Slaghuis: Fotos oder Gegenstände, die Sicherheit oder mentale Kraft schenken, in Blickweite platzieren – aber so, dass sie für das Gegenüber nicht einzusehen sind.
Tipp 9: Spielregeln beachten
Wer schon einmal an einer Videokonferenz teilgenommen hat – und wer hat das in den vergangenen Monaten nicht? –, wird gemerkt haben, dass die Gesprächssituation eine andere als in persönlichen Meetings ist. Ein direkter Schlagabtausch ist schwerer möglich – mal gibt es leichte Verzögerungen bei der Übertragung, mal sprechen mehrere auf einmal. Das nimmt manchen Gesprächen die Dynamik, kann aber auch für einen besseren Austausch sorgen. Daher gilt: Keine zu langen Monologe führen und das Gegenüber aussprechen lassen.
Tipp 10: Fragen stellen
Ein Online-Bewerbungsgespräch ist für beide Seiten eine besondere Situation. Sich interessiert zu zeigen und Fragen zu stellen, wird Bewerbern seit jeher auch bei persönlichen Vorstellungsgesprächen geraten. Sie aber danach beispielsweise noch durch die Unternehmensräume zu führen und ihnen ihre potenziellen künftigen Kollegen vorzustellen, ist kaum möglich. Einige Arbeitgeber versuchen, das mit Videoclips aufzufangen. Das funktioniert, aber nur in begrenztem Maße. Über Skype, Zoom und Teams etc. sind Fragen, insbesondere zur Unternehmenskultur und zum Miteinander, daher noch wichtiger als ohnehin schon.
Tipp 11: Stichpunkte mitschreiben
Auch wenn die Konzentration auf dem Gegenüber liegen sollte: Es spricht nichts dagegen und einiges dafür, dass man sich während des Gesprächs kurze Notizen macht. Niemand kann sich alle Informationen zum Job auf einmal merken, zumal dann, wenn vielleicht noch etwas Nervosität hinzukommt. Zettel und Stift – ganz oldschool – sind am besten. Das Tippen auf einer Tastatur könnte zum einen stören, zum anderen besteht die Gefahr, sich zu verklicken und plötzlich die Verbindung zu unterbrechen.
Tipp 12: Einen Schluck Wasser trinken
Zu guter Letzt: Ein Glas Wasser auf dem Tisch kann Wunder wirken. Bitte ein neutrales Glas Wasser, das ist besser als Tee aus der Lieblingstasse mit dem lustigen Spruch. Ein Frosch im Hals, ein trockener Mund oder einfach, um ein paar Sekunden Bedenkzeit zu gewinnen – all das kann unauffällig mit ein, zwei Schlucken gelöst werden.
David Schahinian arbeitet als freier Journalist für Tageszeitungen, Fachverlage, Verbände und Unternehmen. Nach Banklehre und Studium der Germanistik und Anglistik war er zunächst in der Software-Branche und der Medienanalyse tätig. Seit 2010 ist er Freiberufler und schätzt daran besonders, Themen unvoreingenommen, en détail und aus verschiedenen Blickwinkeln ergründen zu können. Schwerpunkte im IT-Bereich sind Personalthemen und Zukunftstechnologien.