Geborsten, vollgesogen und geplatzt
Von Ariane Rüdiger
Wasser im Rechenzentrum kann verheerende Auswirkungen haben. Davon zeugt beispielsweise ein Bericht in der Financial Times Deutschland vom 20. August 2010. Damals gab es in einem Rechenzentrum von O₂ einen Wasserschaden. Er legte das Mobilnetz unter anderem in Hamburg und Bremen lahm, und es dauerte Stunden, bis das Problem behoben war. Die betriebswirtschaftlichen Folgen und die Auswirkungen auf den Ruf eines von solchen Zwischenfällen betroffenen Betreibers kann man nur erahnen – öffentlich darüber gesprochen wird nur höchst selten.
Nur ganz selten werden Zwischenfälle öffentlich dokumentiert wie auf der Web-Site des RZs der Ruhr-Universität Bochum. Die Hochschule meldete 2013 einen Wasserschaden aufgrund eines Unwetters und veralteter, versandeter Regenwasserableitungen in der abgehängten Decke des Rechnerraums. Sie wurden eigentlich nicht mehr benutzt, waren aber noch an die Abführungskanäle angeschlossen. Diese jedoch schafften die Regenfluten nicht, das Wasser staute sich in die uralten Rohre zurück, und die Kanäle barsten. Ihre nasse Ladung ergoss sich zusammen mit dem Sand, der sich dort jahrelang abgelagert hatte, in die Decke des darunter liegenden Maschinenraums und dann in den Raum selbst, wo das Wasser alsbald den Doppelboden flutete. Um Kurzschlüsse zu vermeiden, wurde der Strom daraufhin abgeschaltet. Immerhin vier Stunden fielen die Systeme aus. Was für eine Universität noch verkraftbar ist, wäre für ein kommerzielles Rechenzentrum höher Sicherheitsstufe ein Ding der Unmöglichkeit.
Sichere räumliche Trennung
Längst nicht alle Wasserschäden sind so dramatisch – im Alltagsbetrieb geht es eher um tropfende Ventile und Mischer oder undichte Panzerschläuche bei direkt wassergekühlten Racks. „Die Risiken hierbei sind weit geringer als früher, weil die Durchmesser der Leitungen gering sind und direkt in das Rack integrierte Cooltherm-Units, geschlossene Systeme, meistens einen integrierten Drucksensor besitzen, der Druckverluste durch Abfließen des Kühlmediums ziemlich schnell detektiert“, sagt Rainer von zur Mühlen, Eigentümer der VZM GmbH in Bonn, einer Beratungs- und Planungsgesellschaft, die schon mehr als 600 Rechenzentren entworfen hat. Außerdem würden Racks heute meist vormontiert und nicht mehr ständig verschoben, was Abrisse der Wasserzu- und -abführungsschläuche unwahrscheinlicher mache. Kleinere Wasserverluste unterhalb der Detektionsschwellen solcher Geräte können eher wenig bis keinen Schaden anrichten. Das liege unter anderem daran, dass die Rechner und übrigen Geräte in den Racks längst nicht mehr so korrosionsgefährdet seien wie früher.
Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazinreihe „Rechenzentren und Infrastruktur“. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.
„Man muss die großen Wasserrisiken von vornherein aus dem Rechnerraum heraushalten“, meint von zur Mühlen – von seinem Unternehmen geplante Datacenter sehen in der Regel eine sogenannte Klimaspange vor, wo die nicht rechnenden, aber wasserführenden Komponenten wie Umluftkühler mit Verdunstungseinheit abgetrennt vom Rechnerraum ihre Arbeit tun. Die speziellen Räume, in denen sie stehen, versieht VZM mit Schwellen, sodass viel Wasser auslaufen müsste, um in den Rechnerraum zu gelangen. USV und Batterien gehören wiederum in separate Räume, in denen am besten überhaupt kein Wasser fließt. Gegebenenfalls stattet der RZ-Planer schädigungsgefährdete Räume mit Feuchtigkeitssensoren am Boden aus. Beim Umluftkühlgerät mit Klimatisierungseinheit sei das schon deswegen nötig, weil für den Betrieb der Verdunstereinheit zur Regulierung der Luftfeuchtigkeit immer eine offene Wasserleitung gebraucht werde.
Sprudelnde Risikoquellen
Andere halten das Wasserschadensrisiko im Datacenter für höher – vielleicht auch deshalb, weil nicht jeder Betreiber die oben beschriebenen Designvorschläge berücksichtigt. „Zwei von zehn Rechenzentren haben im ersten Jahr Probleme mit Wasser“, sagt Michael Eißner, Spezialist Data Center Infrastructure bei Brandes, einem mittelständischen Anbieter, der sich auf den Schutz vor Wasserschäden auf unterschiedlichen Anwendungsfeldern, darunter auch Rechenzentren, spezialisiert hat.
Die Website des Systemhauses Didactum, das selbst eine entsprechende Lösung anbietet, listet als mögliche Wasserquellen, die Schäden auslösen, auf: leckende Klimaanlagen sowie leckende Kühlmittelbehälter an der Klimaanlage, geplatzte Wasserschläuche, Lecks in wassergekühlten Serverschränken, Kondenswasser von Klimageräten, Wasserrohr- oder Heizungsrohrbrüche, bauliche Mängel (beispielsweise wasserführende Installationen über dem Rechnerraum), Schäden durch Grundwasser und Wetter oder die überfließende Kanalisation sowie Vandalismus im Zusammenhang mit Einbrüchen.
Wasserschäden sind nicht nur ärgerlich und teuer, sie können, wenn Schutzmaßnahmen im Rechenzentrum fehlen, auch zu Problemen bei der Schadensregulierung mit dem Versicherer führen. Zertifizierungen wie die nach EN 50600 verlangen im Rahmen des Schutzes der physischen Infrastruktur auch den Schutz gegen Wasserschäden. Besonders aufpassen müssen RZ-Betreiber, die im weitesten Sinne für den Betrieb öffentlicher Infrastruktur zuständig sind. An sie stellt das Informationssicherheitsgesetz ganz besonders hohe Anforderungen, auch hinsichtlich der physikalischen Sicherheitsmaßnahmen.
Maßnahmen bereits beim Bau
Die beste Möglichkeit, einem empfindlichen Wasserschaden vorzubeugen, besteht in entsprechenden baulichen Maßnahmen. So sollte man von vornherein darauf achten, ein Rechenzentrum nicht etwa in einer überschwemmungsgefährdenden Flussaue zu errichten, nur weil dort billiges Fließwasser für die Rechnerkühlung nahe ist. Wird ein altes Gebäude als Rechenzentrum umgebaut, sollte man dem Thema Wasserinfrastruktur besondere Aufmerksamkeit schenken und genau prüfen, ob die Wasserrohre nicht insgesamt erneuert gehören. Ebenso sorgfältig müssen Planung und Umsetzung erfolgen, wenn etwa adiabatische Kühleinrichtungen mit Wasserberieselung oder Kühlwassertürme auf dem Dach stehen. Günstig ist, den Einbau größerer Wasserrohre in die Decke über dem Rechnerraum von vornherein zu vermeiden und, wie oben beschrieben, größere wasserführende Aggregate abzutrennen. Und: Wasser muss im Notfall auch segmentweise abgeschaltet werden können. Wird es direkt im Rechnerraum verwendet, dann möglichst nur in geringen Mengen, wie es heute bei modernen Rackkühlungen üblich ist.
Wie viel Sicherheit und Komfort eine Lösung für die Wasserdetektion im Datacenter bietet, hängt natürlich ab davon, wie viel der Betreiber des Rechenzentrums investieren möchte. „Man findet auch kleinere Rechenzentren, die als Wasserschutz einen Wasserdetektor aus dem Elektromarkt verwenden“, sagt Eißner. So etwas genügt professionellen Ansprüchen selbstredend nicht.
Rohr-, Boden- und Punktsensoren
Es gibt eine Reihe von Herstellern, die Leckagemelder anbieten: Jola, Striko, Bamo und andere. Fürs sichere RZ geeignete Lösungen schlagen aber nicht nur Alarm, wenn Wasser vorhanden ist, sondern können auch herausfinden, wie viel Wasser es ist und ob es sich ausbreitet. Das ist bei vielen anderen Lösungen nicht der Fall. Diese, so Eißner, „messen lediglich, dass irgendwo Wasser ist. Das führt im Rechenzentrum entweder zu vielen Fehlalarmen, weil kleine Wassermengen ohne Relevanz bereits eine echte Alarmierung auslösen, oder zu einer verspäteten Reaktion, die den Wasseraustritt erst meldet, wenn schon viel Schaden angerichtet ist.“ Die Lösung der Brandes GmbH kann zum Beispiel sowohl feststellen, wohin das Wasser fließt, als auch schon minimale Mengen detektieren und von größeren unterscheiden. Der Hersteller empfiehlt, die Rohrsensoren innerhalb der Dämmung zu verlegen, damit Lecks frühestmöglich erkannt und geortet werden. Für seine Technologien hat das Unternehmen inzwischen „mehrere hundert Patente“ (Brandes). Der Hersteller liefert an anspruchsvolle Anwender, beispielsweise schützen seine Systeme auch das neue Rechenzentrum von T-Systems in Biere bei Magdeburg.
Aufbau eines Brandes-Bodensensors (Bild: Brandes)
Brandes bietet drei Arten von Wasserdetektoren an: Rohrdetektoren, Bodendetektoren und Punktdetektoren. Rohrdetektoren werden, wenn gewünscht, auch redundant, in oder auf der Isolation der den Rechnerraum umlaufenden Wasserleitungen und an den Abzweigungen bis zum Eintritt ins Rack angebracht, nicht aber an Komponenten wie Mischern oder Ventilen. Sie kosten pro Meter 7 Euro und bestehen aus vier Fasern: einem roten Meldekabel, einer weißen Masseleitung und zwei Rückführadern in Grün und Schwarz. Der Rohrsensor für die Montage außerhalb der Rohrdämmung saugt Wasser an. Bodensensoren für 16 Euro je Meter werden in Schleifen unterhalb der Racks im Doppelboden oder in anderen zu schützenden Räumen mit festem Boden verlegt, beispielsweise im Batterie-, Klima- oder USV-Raum. Sie sind ähnlich aufgebaut. Punktsensoren wiederum kommen in die Ecken von Räumen mit einer soliden Bodenfläche oder in Bodensenken. Mehrere Sensoren werden schließlich über eine Anschlussdose mit einem proprietären Bussystem verbunden, das alle Meldungen einsammelt und an eine Zentraleinheit liefert. Sie kostet mehrere tausend Euro.
Aufbau eines Brandes-Rohrsensors (Bild: Brandes)
Die Sensoren funktionieren, weil der Widerstand des Sensors sinkt, sobald er feucht wird, und je mehr, desto mehr Wasser vorhanden ist. Diese Veränderung des Widerstandes wird gemessen und an die Zentrale gemeldet. Dort sind die Schwellwerte dreier verschiedener Warnstufen verzeichnet: Gelb meldet, dass Wasser in geringen Mengen vorhanden ist, stellt aber noch keinen echten Alarm dar. Orange ist die Meldestufe, wenn davon auszugehen ist, dass mehr Wasser hinzukommt, da es sich ausbreitet. Und Rot bedeutet, dass nun dringend Handeln angesagt ist.
Warnsystem mit Ausbreitungsmessung
Auch kleine Wassermengen an oder in der Dämmung von Rohren zu detektieren, ist wichtig, weil solche kleineren Lecks die Dämmung zunächst nicht zerstören, sondern in ihr entlangwandern und das Dämmmedium gewissermaßen über eine größere Länge mit Wasser sättigen, ehe es irgendwann bricht und das Wasser tatsächlich ausströmt – unter Umständen weit von der eigentlichen Leckstelle entfernt. Der Rohrsensor von Brandes startet deshalb, sobald eine kleine Wassermenge an einer bestimmten Stelle gemeldet wird, eine Teilmessung links und rechts davon. Stellt sie fest, dass auf einer Seite der Widerstand sinkt, bedeutet das, dass sich das Wasser in diese Richtung ausbreitet. Diese Ausbreitungsmessung zusammen mit erfahrungsbasierten Algorithmen ist die Grundlage der höheren Alarmierungsstufen. Reagiert niemand auf einen Alarm, ist das System auch imstande, selbständig einzelne Segmente abzuschalten, damit Schäden vermieden werden. Boden- und Punktsensoren funktionieren nach demselben Prinzip. Ganz billig ist so eine Lösung nicht – schließlich stecken in einem Rechenzentrum mit 1000 m² Rechenfläche durchaus 2 km Sensordraht.
Wie viel man investiert, ist wie immer Gewissenssache und eine Frage der Risikobereitschaft. Unverzichtbar ist allerdings die Wasserdetektion mittels Sensortechnik und intelligenter Software in den Räumen sein, in denen sich Geräte befinden, die mit größeren Mengen Wasser arbeiten.