Das seit Januar 2007 geltende Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) verpflichtet alle Kapitalgesellschaften, ihren Jahresabschluss im elektronischen Bundesanzeiger zu publizieren. Derzeit kommen 94 % der offenlegungspflichtigen deutschen Unternehmen dieser Pflicht nach. Nun wird seitens der Europäischen Union darüber diskutiert, ob der bürokratische Aufwand der Publizierung auch den Kleinstunternehmen zugemutet werden muss. Experten halten den Vorschlag für einen Bärendienst.
Dass die Daten des elektronischen Bundesanzeigers und des Unternehmensregisters durchaus auf ein hohes Interesse in der Wirtschaft stoßen, zeigen die 82.000 täglichen Abrufe. Fred Schuld, Geschäftsführer der Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft sieht denn auch das EHUG als Erfolg. „Es hat den Weg zu einem zentralen Veröffentlichungsorgan für wirtschaftsrechtliche Veröffentlichungen geebnet, das bei den Marktteilnehmern hohe Akzeptanz genießt.“
Die EU-Kommission hat jedoch vorgeschlagen, Kleinstunternehmen mit einem Umsatz von bis zu einer Million Euro, einer Bilanzsumme von bis zu 500.000 Euro und mit bis zu 10 Mitarbeitern von der Verpflichtung zur Erstellung und Offenlegung eines Jahresabschlusses auszunehmen. Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat am gestrigen Donnerstag zwar noch Änderungen am Vorschlag der EU-Kommission eingefordert, ihn aber an das Plenum des Parlaments überwiesen. Der Präsident der Bundessteuerberaterkammer Dr. Horst Vinken bewertete den Vorschlag der EU-Kommission kritisch:
„Auch Kleinstunternehmen brauchen eine Aufzeichnung ihrer Geschäftsvorfälle, z.B. für die Steuerung des Betriebes und zu Finanzierungszwecken. Die erhoffte Kostenersparnis für diese Unternehmen würde daher nicht in dem erwarteten Ausmaß eintreten. Wir meinen, dass die diskutierte Ausnahme von den Rechnungslegungsrichtlinien nicht sinnvoll ist.“
Immerhin würde die Ausnahme nach den EU-Kriterien keineswegs eine Ausnahme im Sinne einiger weniger Unternehmen bedeuten – im Gegenteil: Wie Analysen zeigen, träfe diese EU-Ausnahmeregelung auf gut 75 % aller Kapitalgesellschaften in Europa zu, also auf die Mehrheit. Der Wegfall der Jahresabschlussinformationen zu diesen Unternehmen wäre deshalb gleichbedeutend mit einem gravierenden Rückschritt hinter den heute erreichten Stand der Markttransparenz in Europa“, so Volker Ulbricht, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Vereine Creditreform.
Ulbricht weiter: Die Reduzierung der veröffentlichungspflichtigen Unternehmen würde den Sinn der europäischen Rechnungslegungsrichtlinien insgesamt infrage stellen. So ließe sich etwa das Ziel, Mindestbedingungen für die im EU-Binnenmarkt miteinander im Wettbewerb stehenden Kapitalgesellschaften zu schaffen und den Informationsrechten Dritter – etwa Banken, Geschäftspartnern oder Angestellten – Rechnung zu tragen, nicht mehr weiterverfolgen.
Vieler Experten gehen davon aus, dass den von der Veröffentlichungspflicht ausgenommenen Kleinstunternehmen Probleme bei der Kapitalbeschaffung erwachsen könnten. Tatsächlich haben viele mittelständische Unternehmen aufgrund ihrer geringen Kapitaldecke bereits heute Finanzierungsprobleme, die durch die Inanspruchnahme von Lieferantenkrediten überbrückt werden. Diese Kredite basieren aber einzig und allein auf dem Entgegenkommen und Vertrauen des jeweiligen Vertragspartners, der sich bislang problemlos anhand der Jahresabschlüsse der letzten Jahre über die Solvenz seines potenziellen Vertragspartners informieren konnte. Mit der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Reform – so das Argument der Experten – würde diese für die Wirtschaftsteilnehmer maßgebliche und verlässliche Informationsquelle versiegen. Sie raten deshalb davon ab, den durch die Bilanzpublizität erreichten Stand der Markttransparenz wieder infrage zu stellen. (Creditreform/ml)