Den Absolventen der Elektro- und Informationstechnik steht die Zukunft weit offen: Vier von fünf Hochschulabsolventen benötigen weniger als zehn Bewerbungsschreiben bis zum Berufsstart. Das ergab eine Umfrage des Verbands der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik (VDE) – mit einigen erstaunlichen Teilergebnissen: So sind Frauen bei Bewerbungen häufig erfolgreicher als ihre männlichen Kollegen. Ingenieure wiederum ziehen – entgegen landläufiger Meinung – deutlich häufiger als Ingenieurinnen private Interessen den beruflichen Belangen vor (Männer: 60 %; Frauen: 40 %).
Dennoch haben Elektroingenieurinnen das Gefühl, dass ihre Arbeit weniger Anerkennung findet als jene ihrer männlichen Kollegen, und ihnen Führungspositionen vorenthalten werden. Ihre männlichen Kollegen bestreiten das zwar, gestehen aber durchaus ein, dass Frauen in diesen Berufen nicht die gleichen Aufstiegschancen haben. Das bestätigt sich in der Umfrage: Während nur 8 % der befragten weiblichen Berufseinsteiger mit Personalverantwortung betraut wurden, waren es bei den Männern mit 15 % fast doppelt so viele.
Diese unterschiedliche Behandlung ist umso unverständlicher als 90 % der VDE-Mitgliedsunternehmen befürchten, dass Unternehmen ihren Bedarf an Ingenieuren in Zukunft nicht ausreichend decken können. Sie sind deshalb auf das weibliche Potenzial angewiesen.
Wie sehr, das zeigen die Absolventenzahlen: Den etwa 8500 Absolventen der Elektro- und Informationstechnik im vergangenen Jahr steht nach VDE-Schätzungen etwa ein Bedarf von 12.000 Elektroingenieuren gegenüber. Hinzu kommt, dass der Ausländeranteil in der Elektrotechnik mit 17 % an den Fachhochschulen und 30 % an den Universitäten relativ hoch ist. Viele dieser ausländischen Studenten werden jedoch nach dem Abschluss in ihre Heimatländer zurückkehren. Das vermehrte Ausscheiden älterer Ingenieure und weniger Schulabgänger wird die Ingenieurlücke weiter verschärfen.
Viele schrecken auch die Abstriche am Privatleben ab, die Ingenieure machen müssen. So sind vier von zehn Berufsanfängern laut Umfrage der Meinung, dass Ingenieure, die sich aus privaten Gründen zwei bis drei Jahre aus dem Beruf zurückziehen, nach dieser Auszeit in ihrem Ingenieurberuf nicht mehr mithalten können.
Dass die Arbeit eines Ingenieurs zumindest partiell durch ständige Verfügbarkeit, häufige Überstunden und Wochenendarbeit geprägt ist, glaubt jeder Zweite. 30 % der Berufsanfänger gehen daher davon aus, dass die Ausübung des Ingenieurberufs einerseits und Teilzeitarbeit beziehungsweise Auszeiten andererseits zueinander im Widerspruch stehen und sie ihr Privat- beziehungsweise Familienleben einschränken müssen, um beruflich voranzukommen. Das bestätigen jene 20 % der Befragten, die angaben, dass sie zum Zeitpunkt der Umfrage ihre sozialen beziehungsweise familiären Bedürfnisse nicht mit den Pflichten eines Ingenieurs in Einklang bringen konnten.
Während sich Frauen zu rund zwei Dritteln und Männer zu 50 % wünschen, Haushalt und Betreuung nach der Geburt eines Kindes aufzuteilen, erfüllt sich diese Erwartung für nur 60 % der Frauen und 40 % der Männer.
Ähnlich sind die Ergebnisse auch in Bezug auf die Auszeit, die sich vor der Geburt eines Kindes über 40 % der Männer und Frauen wünschen: Tatsächlich haben sich zwar mehr als 60 % der Frauen diese Auszeit auch genommen, aber nur 38 % der Männer. Gut die Hälfte der Befragten ist skeptisch, ob sie ihre beruflichen Aufgaben an die Bedürfnisse des Kindes anpassen können. Vor allem Frauen wünschen sich mehr Unterstützung von Seiten des Arbeitgebers, um Familie und Beruf besser miteinander verbinden zu können. „Damit steigt die Gefahr, dass ein Teil des Potentials von Frauen in MINT-Berufen [Red.: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik] ungenutzt bleibt“, so VDE-Vorstandsvorsitzender Dr.-Ing. Hans Heinz Zimmer.
Rahmendaten der Studie
Für die Studie wurden insgesamt 776 Young Professionals der Elektro- und Informationstechnik befragt, davon waren rund 10 % weiblich. Die meisten der Befragten leben in Partnerschaften und sind in größeren Unternehmen beschäftigt. Das Durchschnittsalter lag bei 29,4 Jahren.