Die effektive Steuerbelastung von Unternehmen in Deutschland ist eine der höchsten innerhalb der EU. Nur in sechs von insgesamt 27 EU-Staaten ist die Unternehmenssteuerbelastung höher. Darüber hinaus besteht auch nach der Reform im Jahr 2008 noch immer ein hoher Reformbedarf. Das zeigt eine brandneue Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Zusammenarbeit mit der Universität Mannheim. In Auftrag gegeben wurde die Studie von der Stiftung Familienunternehmen.
Um die tatsächliche Belastung der deutschen Unternehmen zu errechnen, setzte das ZEW auf das Simulationsmodell European Tax Analyzer. Das Modell berücksichtigt sämtliche relevanten Steuerarten und ihre Auswirkungen auf Unternehmen über einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieses Verfahren erlaubt darüber hinaus, mögliche Folgen der Steuerreformpläne der verschiedenen Parteien abzuschätzen. Prof. Dr. Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, möchte damit mehr Realismus in die Diskussion bringen: Er wirft vor allem den linken Parteien vor, u.a. mit der Wiedereinführung der Vermögenssteuer das Rad der Steuergeschichte zurückdrehen zu wollen. „Dabei müssten sie spätestens im Lichte der Weltfinanzkrise wissen, dass ihr ideologischer Feind nicht in Flensburg, Osnabrück oder Biberach sitzt, sondern an der Achse zwischen Themse und Hudson-River.“
Die Studienautoren kritisieren vehement, dass die gegenwärtige Steuerpolitik die zentralen Anforderungen an die Unternehmensbesteuerung nicht erfüllt. So mangele es an der Entscheidungsneutralität und der Einfachheit der Besteuerung sowie an einer Stärkung der Standortattraktivität.
Was Familienunternehmen besonders belastet
- Überproportionale Steuererhöhungen beschweren gerade die standorttreuen Familienunternehmen stärker als internationale Konzerne.
- Die indirekte Substanzbesteuerung wurde durch die Hinzurechnung von Finanzierungsentgelten (in erster Linie Zinsen) zum Gewinn im Zuge der Gewerbesteuerermittlung ausgeweitet.
- Mit der Einführung der Abgeltungssteuer wurde die Eigenkapitalfinanzierung noch stärker als zuvor diskriminiert. Hinzu kommt die Benachteiligung bei der Besteuerung von Zinsen für Gesellschafterdarlehen im Vergleich zu Bankzinsen.
- Familienunternehmer sind steuerlich weiterhin benachteiligt, wenn sie ihre Gewinne im Unternehmen belassen, also thesaurieren wollen.
- Die Unternehmenssteuerreform bewirkt für Personengesellschaften in erster Linie Mehrbelastungen, während von der Senkung des Körperschaftsteuersatzes allein die Kapitalgesellschaften profitieren.
Im Rahmen der Studie wurden auch Unternehmensvertreter, Steuerberater und Vertreter der Finanzverwaltung befragt, um die zentralen Problemfelder des deutschen Unternehmenssteuersystems zu identifizieren. Das Ergebnis: Besonders kompliziert und damit reformbedürftig sind die steuerliche Behandlung grenzüberschreitender Geschäfte, die Besteuerung von Personengesellschaften, die so genannte Zinsschranke (die Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen nach sehr komplexen Regeln) und die Erbschaftsteuer. Stiftungsvorstand Hennerkes Fazit:
„So sehr wir auch jede einzelne Verbesserung, wenn sie denn kommt, begrüßen. Die Familienunternehmen vermissen nach wie vor den großen Wurf einer umfassenden Steuerreform, die das Übel bei der Wurzel packt.“
Die ZEW-Studie steht per PDF-Download kostenfrei im Internet bereit. (Quelle: ZEW/Stiftung Familienunternehmen/ml)